Das grobmaschige Netz - Roman
ziemlich genau zu wissen, was passiert ist.«
»Wirklich?«, fragte Hiller und hörte endlich auf, seine Armbanduhr immer wieder um sein Handgelenk zu drehen.
»Wir haben eine Weile dazu gebraucht und mussten uns auch mit dem Tagpersonal unterhalten, aber alle stimmten darin überein ... eine Besucherin war nicht wieder gegangen.«
»Nicht wieder gegangen?«, wiederholte Hiller.
»Ja, sie war schon gegen fünf Uhr gekommen — die Besuchszeit geht bis halb sieben. Und diese Frau ist nicht wieder gegangen, und die anderen haben sie vergessen.«
»Eine Frau?«, fragte Hiller.
»Ja, das behaupten sie«, sagte Reinhart und stieß einen Rauchring aus, der langsam auf den Polizeichef zusegelte. »Aber es kann natürlich auch ein Mann gewesen sein ...«
»Was haben die denn da bloß für Sicherheitsvorkehrungen?«, fragte Hiller und versuchte, den Rauchring zu vertreiben. »Haben wir wenigstens irgendeine Beschreibung?«
»Acht Stück«, sagte Münster. »Die sind sich aber ziemlich ähnlich. Eine ziemlich große Frau mit vollen dunklen Haaren und einer Brille, Dufflecoat und Jeans ... nur drei von ihnen haben mit ihr gesprochen, aber weitere fünf haben sie gesehen. Unter anderem ein Patient. Er würde beschwören, dass es ein als Frau verkleideter Mann war ... die anderen waren sich nicht so sicher.«
»Van Veeteren, was sagst du?«, fragte Hiller.
»Bestimmt hat der Irre recht«, antwortete der. »Aber den Eid überlasse ich ihm.«
Hiller faltete vor sich auf dem Tisch die Hände.
»Und diese ... Person ... hat sich also bis drei, halb vier Uhr nachts im Haus versteckt, hat dann Mitter ermordet und ist aus dem Fenster geklettert? Klingt reichlich kaltblütig, findet ihr nicht?«
»Verdammt kaltblütig«, sagte Reinhart.
»Hat einen starken Magen«, sagte Rooth. »Hört sich wirklich an wie ein B-Film.«
»Der andere Patient«, sagte Hiller. »Der im selben Zimmer schläft ... was hatte der zu sagen?«
»Nichts«, teilte Münster mit. »Der schlief wie ein Stein, ich glaube nicht einmal, dass er wach geworden ist, als sie ihn in ein anderes Zimmer verlegt haben.«
»Großartige Medikamente«, sagte Rooth.
»Erinnert ihr euch an das >Kuckucksnest«, fragte Reinhart.
Hiller schaute auf die Uhr.
»Noch eine Viertelstunde«, teilte er mit.
»Kannst du die Zeitungsschmierer nicht eine Runde warten lassen?«, fragte Reinhart.
»Wenn wir schon sonst nichts schaffen, dann sollten wir wenigstens pünktlich sein«, erklärte Hiller und glotzte Reinharts Pfeife an. »Und außerdem wird live übertragen.«
»Oh, verdammt«, sagte Rooth.
»Alles klar«, sagte Hiller. »Van Veeteren, welche Anhaltspunkte haben wir? Wie gehen wir vor? Ist mir wirklich schnurz, ob du Kopfschmerzen hast.«
Van Veeteren nahm den Zahnstocher aus dem Mund, brach ihn in zwei Hälften und legte sie vor sich auf den blanken Tisch.
»Willst du wissen, was du sagen sollst oder was ich glaube?«
»Beides ... aber vielleicht sollten wir uns erst später deine taktischen Überlegungen anhören. Gib mir etwas, das ich ihnen in den Rachen werfen kann!«
»Wie du willst«, sagte Van Veeteren. »Eine unbekannte Person hat sich in die Anstalt eingeschlichen und Janek Mitter erstochen, der vor kurzem erst wegen Mordes an seiner Ehefrau verurteilt worden war. Auf Grund seiner psychischen Labilität wurde er in die Klinik eingewiesen. Es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass beide Mordfälle etwas miteinander zu tun haben.«
»Das kann ich denen doch nicht sagen!«, rief Hiller nervös und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
»Dann sag, dass es einen Zusammenhang gibt«, schlug Van Veeteren vor. »Mir ist das doch egal.«
Alles schwieg einige Sekunden lang.
Nur Reinharts Pfeife und Hillers Armbanduhr waren zu hören.
»War Mitter unschuldig?«, fragte Rooth.
Keine Antwort.
»Bedeutet das, dass wir es in beiden Fällen mit demselben Mörder zu tun haben?«, beharrte Rooth.
Van Veeteren ließ sich zurücksinken und schaute zur Decke hoch.
»Er war eigentlich ein lustiger Vogel«, sagte er schließlich. »Mich überrascht nur eins ... dass er nicht versucht hat, Kontakt zu uns aufzunehmen, wenn ihm etwas eingefallen ist.«
»Wie meinst du das?«, fragte Hiller.
»Du meinst?«, fragte Reinhart.
Van Veeteren nickte langsam.
». . . dass Mitter den Mörder gewarnt hat?«, ergänzte Münster. »Und uns nicht?«
Van Veeteren schwieg.
»Wie kann man denn bloß so blöd sein?«, fragte Reinhart.
»Geh du doch in die
Weitere Kostenlose Bücher