das gutenberg-komplott
Gespräch kam ins St o cken.
Bologna dachte nach. Er hatte den Verdacht, sie könnte sich im Kaufhaus mit dem Richter getroffen haben, er könnte ihr dort die Pläne hinterlegt haben, etwas in der Art. Aber das w a ren nur Vermutungen, mehr nicht. Wie sollte der Richter unb e merkt ins Kaufhaus gekommen sein? Und mussten sie nicht wahnsinnig sein, sich ausgerechnet am belebtesten Ort der Stadt zu treffen?
Die Antworten, die sie ihm gegeben hatte, ließen sich schlecht widerlegen. Sie hatte sich keine Blöße gegeben. Sie war stark, und das imponierte ihm. Die entscheidende Frage war, ob sie die Wahrheit sagte. Hatte sie etwas zu verbergen? War eine unerfahrene Frau in der Lage, so überzeugend zu l ü gen? Richtig lügen konnte seiner Erfahrung nach nur, wer es regelmäßig und von Berufs wegen übte. Er dachte an die Di p lomaten und Politiker, mit denen er häufig verkehrte und zu denen er im weiteren Sinn sich selbst zählte. Erst in Rom hatte er gelernt, sich zu verstellen, sich nicht in die Karten schauen zu lassen, ein indifferentes, undurchschaubares Gesicht zu m a chen, Worte zu wählen, die alles und nichts bedeuten konnten, und glatt und wendig Stolpersteine zu umgehen. Aber sie war eine junge Frau, sie war einer Exremsituation ausgesetzt, einer B e lastung wie wahrscheinlich nie zuvor im Leben, und sie ließ sich keine Angst anmerken. Ihre Antworten kamen schnell und selbstsicher, sogar mit einer gewissen Aggressivität und Frec h heit, die er ziemlich bemerkenswert fand.
Trotzdem war sie nicht so unwissend, wie sie sich gab. Sie war häufig mit dem Richter zusammen gewesen, einmal auch nachts, und Bologna dachte sich seinen Teil dabei. In dem Punkt hatte sie ihn nicht überzeugt. Wie viel wusste der Ric h ter? Und wie viel von dem, was er wusste, hatte er ihr erzählt?
Es war auf jeden Fall richtig, sie aus dem Verkehr zu ziehen. Der entscheidende Kampf stand unmittelbar bevor, und Bolo g na durfte kein Risiko eingehen. Sie konnte sein Projekt nicht mehr gefährden.
Sie war gefesselt, aber sie saß aufrecht, und der rötliche Glanz ihrer Locken, die die Hälfte des Gesichts verdeckten, fa s zinierte ihn. Er hätte ihr gern in die Augen geschaut – was für eine Farbe sie wohl hatten? Sprach etwas dagegen, ihr die Bi n de abzunehmen?
32.
M
aria hatte ihn bei Kerzenlicht über die steile Treppe nach oben gebracht. Es war Nacht und so dunkel in der Dac h ka m mer, dass Thomas, der auf einem zu kleinen Bett lag, die Hand vor Augen kaum sah. Er war Gutenberg dankbar, dass er ihn versteckte. Sie arbeiteten jetzt z u sammen. Der Gang durch die Werkstatt sollte provozi e ren, sie wollten den Verräter aus der Reserve locken und hatten die Reaktionen der Männer beobachtet: Wer immer es war, er sollte unruhig werden. Vie l leicht beging er einen Fe h ler.
Für Thomas tat sich eine neue Welt auf. Die Juristerei hatte ihn nie mit Leidenschaft erfüllt. Sein Vater hatte ihm empfo h len, die Rechte zu studieren, und die Aussicht auf ein Studium in Italien lockte. Heute, mit Abstand betrachtet, erleichterte es Thomas fast, die Richterstelle los zu sein. Nur die Umstände ärgerten ihn, und die w ollte er nicht auf sich sitzen lassen: Er würde für sein Recht kämpfen.
Aber seine wahren Interessen lagen woanders, das wurde ihm klar. Was Gutenberg machte: Das war sein Beruf! Davon hatte er geträumt, unklar und verschwommen – weil es kein Vorbild gab. Die ganzen Jahre hatte es den Beruf, nach dem er sich sehnte, nicht gegeben. Und jetzt existierte er!
Thomas lag wach. Wunschbilder schossen ihm durch den Kopf: Er würde den Fall aufklären, um nicht als Verlierer daz u stehen. Dann wollte er Gutenbergs Mitarbeiter werden. Später sah er sich eine eigene Druckerei gründen; er würde Bücher machen . Und wenn er erst erfolgreich Geschäfte machte, würde Katharinas Vater seine Abneigung gegen ihn überwinden – hoffte er zumindest.
Ein schöner Traum. Er wusste, dass sich manchmal Ziele erst auf Umwegen realisierten. Er stand am Scheideweg. Alles war in Bewegung, verschiedene Möglichkeiten standen offen, und was zurzeit geschah, würde den Rest seines Lebens pr ä gen. A l les, was er bisher getan hatte, kam ihm wie ein langes Suchen vor, und endlich tat sich der Weg auf, der zum Ziel führte.
Irgendwann drang fahles, graues Licht durch die Ritzen im Dach und durch ein winziges Fenster. Thomas fühlte sich wie gerädert. Er hatte fast die ganze Nacht wach gelegen. Es roch nach Feuer.
Weitere Kostenlose Bücher