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Das Habitat: Roman (German Edition)

Das Habitat: Roman (German Edition)

Titel: Das Habitat: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Luzius
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unwillkürlich lächeln bei dem Gedanken.
    „Dass dem so ist – dass die Welt so funktioniert, so und nicht anders – dies ist festgelegt in den Bauplänen, welche in den sogenannten Genen festgeschrieben sind. Jetzt aber frage ich dich, Liam: Was passiert, wenn ich diesen Bauplan verändere?“
    „Etwas völlig anderes kommt dabei heraus...“, sagte ich unsicher.
    Er nickte.
    „Wenn du den Bauplan eines Hauses änderst – ohne Wissen des Architekten –, so wird die gesamte Statik nicht mehr stimmen. Alle seine vorherigen Berechnungen, auf denen die Stabilität des Hauses beruhte, werden nun falsch sein. Was für dich auf dem Papier vielleicht aussehen mag wie eine einzelne unbedeutende Wand, mag eine tragende Mauer sein, deren unbedachtes Fortnehmen – oder bauliche Veränderung – das gesamte Haus zum Einsturz bringen kann.“
    Das war ein Bild, das ich verstand.
    „Nun, Liam, bei Lebenden Wesen aber ist dieser Effekt noch um ein Vielfaches stärker. Denn wenn ein Schwein auch immer die Eigenschaften eines Schweins haben mag und ein Mensch immer die eines Menschen – so ändern sich doch gewisse Eigenschaften von Generation zu Generation. Wenn ich nun den Bauplan eines Lebewesens ändere, so ändere ich zugleich auch Eigenschaften, die sich zuvor – über viele Generationen hinweg – langsam entwickelt haben, und sich als perfekt für alle Lebewesen dieser Art erwiesen haben. Und was bei dem ursprünglich geänderten Wesen vielleicht nicht aufgefallen sein mag – mag sich bei seinen Nachkommen, aufgrund derer besonderer Eigenschaften, als verheerend erweißen. Kannst du mir soweit folgen?“
    Ich konnte zumindest verstehen, was er mir zu erklären versuchte; wenngleich ich noch immer nicht kapierte, worauf er eigentlich hinaus wollte. Wollte er mir sagen, dass die Menschen der Dunklen Zeit die Baupläne des Lebens verändert hatten. Das war doch Irrsinn! So etwas konnte es doch unmöglich geben! Mein Verstand weigerte sich schlichtweg so etwas zu glauben.
    „Das haben Menschen doch nicht gemacht!“, entfuhr es mir.
    Er sah mich traurig an.
    „Doch, Liam. Doch. Sie haben. Und nicht nur einmal – sondern wieder und immer wieder! Am Anfang, um Veränderungen herbeizuführen – und sei es nur, um ein Monopol zu erlangen, über eine bestimmte Pflanzen– oder Tierart, das ihnen ein Vermögen einbringen sollte. Später jedoch nahezu nur noch in der irrsinnigen Hoffnung, einmal begangene Fehler wieder rückgängig zu machen. Doch es war bereits zu spät. Einmal in freier Natur ausgesetzt, breitete sich dieses zerstörte Leben aus, wie ein Geschwür. Ein Geschwür, das bald schon den gesamten Planeten überzogen, und unser aller Leben für immer verändert haben sollte. Die einmal begangenen Verbrechen an der Schöpfung waren nicht mehr rückholbar. Und jede dieser Manipulationen hatte Auswirkungen auf unzählige andere Arten – mit oftmals katastrophalen Folgen. Weißt du, wenn ich zum Beispiel einen Apfelbaum verändere – so hat dies Einfluss auf viele weitere Lebewesen. Wurm frist Apfel, Vogel frist Wurm, Vogel verendet und wird zu Nährstoffen für weitere Bäume – aber auch Pilze und Gras. Kaninchen frist Gras, Fuchs frist Kaninchen... Die Reihe ist endlos fortzusetzen. Tja, und am Ende all dieser Reihen, steht fast immer der Mensch. Oft genug aber bedurfte es dieser Umwege noch nicht einmal – denn zumeist waren es die Pflanzen und Tiere, die dem Menschen als Nahrung dienten, deren Gene – also deren Baupläne – direkt verändert worden waren.“
    Ich sah den Blick seines rechten Auges, wie er traurig auf mir ruhte. Und ich sah seine verwachsene, entstellte – seine tote – linke Gesichtshälfte und verstand.
    Er erkannte was in mir vorging und nickte bedächtig.
    „Ja, Liam. Dies ist die Folge. Oder besser gesagt – die sichtbare Folge. Andere Folgen waren nicht gleich so offensichtlich. Sie zeigten sich erst im Laufe weiterer Generationen. Erst als immer weniger Kinder geboren wurden, wurde den Menschen langsam klar, dass sie mit ihren Eingriffen in die Natur letztendlich das eigene Aussterben heraufbeschworen hatten.
    Immer mehr Menschen wurden zeugungsunfähig. Immer weniger Kinder wurden geboren. Zuerst nur in den armen, unterentwickelten Gebieten – später traf es auch die mächtigen und reichen Nationen dieser Welt. Einst war dieser Planet bevölkert von über zehn Milliarden Menschen. Heute sind es nur noch wenig mehr als eine Milliarde. Und die Zahl geht immer weiter

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