Das Haus der Tänzerin
jetzt?«
»Sie wird verschwinden und ihre Wunden lecken. Das tut sie immer.« Charles küsste Freya auf den Kopf und seufzte. »Lass sie.«
11
Madrid, November 1936
Charles wankte durch den Korridor des Hotel Florida, den Arm um Hugos Schultern. Die Türen zu den Zimmern standen offen, und als er einen raschen Blick hineinwarf, sah er Männer, die über Schreibmaschinen gebeugt Meldungen tippten, die nach Hause gekabelt werden sollten. Einer hatte eine Zigarette im Mundwinkel, und der Rauch zog sich kräuselnd um seine Finger, die über die Tasten flogen. Er fluchte verhalten. »Diese Mistkerle«, brummte er. »Sie streiten immer noch ab, dass die Nazis hier unten sind. Wenn nicht, was, zum Teufel, hat uns dann die letzten drei Tage den Boden unter dem Arsch weggebombt? Passt nur auf, ich erzähle denen, was ich gesehen habe, haufenweise Junkers von der Legion Condor am Himmel. Ich wette, das wird nicht gedruckt …«
»Hey! Capa!«, rief Hugo.
»Wo hast du denn gesteckt?« Ein Mann Anfang zwanzig mit dicken, dunklen Haaren blickte unter dichten Augenbrauen auf. Er lehnte sich gegen den Türstock und rauchte. Charles fielen seine Hände auf – kräftige, lange Finger, seltsam feminin.
»Wir waren an der Front. Charles’ erster Besuch. Hast du noch eine Hose übrig?«
Capa lächelte und klopfte Charles auf die Schulter. »Da war der Darm mal wieder schneller als die Füße? Na komm, wir gehen dich sauber machen.« Während er Richtung Badezimmer taumelte, warf Charles einen sehnsüchtigen Blick zum Bett. Er wollte sich einfach nur hinlegen, sich zu einer verschämten Kugel zusammenrollen. »Mach dir nichts draus«, sagte Capa. »Nach meinem ersten Ausflug war ich völlig versaut. Es wäre ein Wunder, wenn jemand, der das erste Mal unter Granatfeuer steht, keine Heidenangst bekommt.« Capa lachte, zeigte auf seine Ohren und machte das Zeichen für eine Explosion. Charles nickte verlegen.
»Daran gewöhnst du dich.« Capa ließ die Badewanne volllaufen und warf eine saubere Hose über den Handtuchhalter. »Wir sind unten, wenn du fertig bist.«
Charles schrubbte sich ab, bevor er dankbar in das dampfende Wasser eintauchte. Seine Gliedmaßen waren schwer vor Erschöpfung, und er ließ sich mit geschlossenen Augen unter die Oberfläche sinken. Plötzlich war alles wieder da, das Stimmengewirr, die Schreie der Artillerie. So war also der Krieg. Nichts hatte ihn darauf vorbereitet. An diesem Nachmittag hatte er einem Jungen die Hand gehalten, der im Sterben lag. Er war bis zum Ende bei ihm geblieben, während der Junge über seine Mutter und seine Schwester redete, seine Augen flackerten, das Licht darin verblasste. Der erbarmungslose Tag des Kämpfens und des Gemetzels konzentrierte sich für ihn in diesem einen Moment.
»Hier drüben!«, rief Charles von der anderen Seite der überfüllten Bar. Während er sich zu Hugo hindurchdrängte, kam es Charles vor, als würde er durch das laute Sprachengewirr, den rauchigen Mief und den Geruch von Schlachtfeld, Schweiß und billigem Eau de Cologne schwimmen.
Capa blickte auf. »Ah! Der Engländer!« Er legte Charles den Arm um die Schultern. »Und, geht’s besser?«
»Ein bisschen.«
»Hugo – etwas zu trinken für unseren Freund. Heute hat er seine Jungfräulichkeit verloren.«
Der Whisky brannte Charles in der Kehle, und seine Hand zitterte, als er sich an die Bar lehnte.
»Mit der Zeit wird es einfacher.« Capa bot ihm eine Zigarette an. »Du bist mit Hugo gekommen, oder? Presse?«
»Charles Temple. Ja, ich soll für den Manchester Guardian berichten. Ich foto… nun ja, ich lerne gerade zu fotografieren.«
»Womit?«
»Einer Contax.«
Capa stieß einen langsamen Pfiff aus. »Nicht schlecht. Ich selbst habe eine Leica.« Er hob sein Glas. »Willkommen an Bord. Wir sind ein ziemlich zusammengewürfelter Haufen, wie du siehst.« Capa lehnte sich an die Bar und trank, während er die Leute im Raum musterte und einem Mann mit Brille zuwinkte, der gerade Schach spielte. »Das ist Chim.«
Chim kam herbei und streckte Charles die Hand entgegen. »Freut mich, dich kennenzulernen.«
»Hey, Capa, ein Anruf für dich«, rief der Barkeeper.
Capa nahm die Zigarette in die andere Hand und klemmte sich den Hörer unter das Kinn. »Mit wem spreche ich?« Er lächelte kokett, während er zuhörte. »Es tut mir leid, ich erinnere mich nicht. Helfen Sie mir auf die Sprünge. Taro? Kennen wir uns?« Er grinste und zog an seiner Zigarette. »Sagen Sie, sind Sie brünett?
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