Das Herz Des Daemons
Arme weiter ausbreiten, um sein Gleichgewicht halten zu können .
Endlich .
Die
Plattform .
Einen
Moment
klammerte er sich mit geschlossenen Augen an dem Geländer zu beiden Seilen fest. Erst nach mehreren Atemzügen wagte er, sie wieder zu öffnen. In früheren Zeiten war er an den Spannseilen hinabgerutscht . Jetzt stieg er die Mastsprossen hinunter . Seine Hände zitterten. Unten hatte die Menge sich um den anderen gedrängt, jemand rief nach einem Arzt. Er verpasste beinah die letzte Sprosse, wäre um ein Haar gefallen. Der Boden fühlte sich seltsam weich an unter ihm. Niemand schenkte ihm Beachtung . Er war froh darüber. Das Pochen in seinem Kopf hatte sich zu einem quälenden Hämmern gesteigert. Er bewegte sich, ohne nachzudenken. Weg von der Menge, den Menschen. Weg! Ein gelbes Absperrband. Er tauchte darunter hindurch. Weg! Schotter grub sich in seine nackten Sohlen. Beinah wäre er über ein dickes, schwarz isoliertes Kabel gestolpert, das mit blauem Klebeband zwischen zwei Latten auf dem Boden festgetapt war. Im letzten Moment fing er sich an einer mit schreiend bunten Graffiti besprühten Holzwand ab . Irgendwo über ihm zischte Druckluft. In seinem Kopf war das Hämmern qualvoller geworden. Er presste die Handfläche gegen die Stirn, hielt sich mit geschlossenen Augen an einer metallenen Stützstrebe fest. Der Schmerz wühlte sich immer tiefer. Das scharfe Schnalzen, mit dem ein Spannseil nachgab; ein anderer peitschender Laut; der Aufschrei einer Menge; ein dumpfer Aufprall ... Stille. Menschen,
durch
die
er
sich
gewaltsam
hindurchdrängte. Murmeln. Rufe. »Ein Arzt! Schnell, ein Arzt!« - »Ist er tot?« - »Das überlebt keiner.« Männer und Frauen, die gaffend die Hälse reckten. Ihm den Weg versperrten ... den Weg zu ... zu ... Irgendetwas zog seine Kehle zusammen, nahm ihm den Atem , bis er keuchte.
Eine Gestalt in einem Krankenhausbett. Weiße Laken. Verbände. Schienen, um gebrochene Knochen zu richten. Überall. Die Fenster verhängt. Vorgeblich, um Gaffer fernzuhalten. Bangen und Hoffen. Stunde um Stunde um Stunde.
»Ben?«
Qualvolles Stöhnen. Schwarze Augen. Augen, die eigentlich grau sein sollten. Fänge statt Zähne. Die Schreie einer Krankenschwester. »Hör auf! Du bringst sie um! Hör auf!« Dunkles, wahnsinniges Knurren.
»Ben.«
Erschrocken hob er den Kopf. Cathérine. Sie stand nur ein paar Meter von ihm entfernt auf einem schmalen Schotterweg. Warum lag er auf den Knien? Zögernd machte sie einen Schritt auf ihn zu. Sie hielt seine Schuhe und Strümpfe in der Hand. Irgendwie benommen und orientierungslos sah er sich hastig um. Blätter, die der Indian Summer in unzählige Schattierungen von Gelb, Orange und Ocker getaucht hatte, lagen in einer dicken Schicht unter einer nicht ganz mannshohen Hecke am Boden. Sie begrenzte den Rummel wohl auf dieser Seite. Hinter ihm ragten bunt besprühte Rückwände mehrere Meter in den Himmel. Gelbes Absperrband war zwischen den metallenen Stützstreben hindurchgezogen und verkündete, dass hier das »Betreten verboten« war. An einigen Stellen war es heruntergerissen und flatterte in den Böen, die immer wieder über den Weg strichen. Zwischen den Steinen lagen die Reste von Papiertüten und Losschnipseln. Schwere schwarze Kabel zogen sich über den Schotter zu einem Sicherungskasten, auf dem unübersehbar ein Hochspannungszeichen prangte. Abgesehen vom dem leisen Zischen der Druckluft und dem Dudeln von Musik, mit der etwas in ihm ein altes Karussell mit Holzpferden verband, war es verwirrend ruhig. Sie mussten irgendwo hinter Spiegelkabinett und Geisterbahn sein. Er hatte keine Ahnung, wie er hierhergekommen war.
»Ben?«
Cathé... Kathleen machte einen weiteren Schritt auf ihn zu, zögernd, vorsichtig, wie man sich einem wilden Tier nähert. Er verzog bitter den Mund . Eine Hand an der Stützstrebe neben sich stand er langsam vom Boden auf.
»Ich tue dir nichts.«
Die Art, wie sie fast trotzig die Schultern ein kleines Stück zurücknahm, hatte etwas seltsam Vertrautes.
»Was machst du hier? Ich habe dich überall gesucht.«
»Das tun auch andere.«
Sie kam noch näher, blieb eine gute Armlänge von ihm entfernt stehen. »Du hast Stephen das Leben gereuet.«
Als er schwieg, sog sie für einen winzigen Moment die Unterlippe zwischen die Zähne , ehe sie die Hand hob. »Ich hab dir deine Schuhe gebracht.«
»Danke.« Er nahm sie ihr ab, lehnte sich gegen die Stützstrebe und zog sie an.
Kathleen ließ ihn nicht aus
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