Das Herz des Ritters
Gewand und schnaubte verächtlich. »Er kleidet dich gut. Offenbar besitzt du weitaus mehr Talente, als ich dir zugetraut hätte, oh heilige Tochter des Sinan.«
Eine scharfe Erwiderung lag ihr schon auf der Zunge, doch Halim nahm sie fest bei der Hand und führte sie über den weitläufigen Hof der Moschee zu einer ruhigeren Stelle im Schatten eines Dachvorsprungs. Menschen strömten an ihnen vorbei, ohne sie zu beachten; offenbar hatten sie all ihre Gedanken darauf gerichtet, rechtzeitig die Gebetshalle für das Juma-Gebet zu erreichen.
»Du hättest keine Nachricht in den Palast schicken sollen«, schalt Zahirah flüsternd. »Man hätte sie leicht abfangen können. Tatsächlich konnte ich sie gerade noch rechtzeitig vor dem englischen Hauptmann verbergen.«
Halim zuckte gleichgültig die Schultern. »Es war ein Risiko, aber ich habe darauf vertraut, dass du schon wissen wirst, was zu tun ist.«
Und es scherte ihn keinen Deut, dass sein Handeln sie – und ihre Mission – gefährdet hatte, erkannte Zahirah an dem mitleidlosen Blick in seinen kalten Augen. »Du hast behauptet, du hättest Neuigkeiten für mich, Halim. Nun sag schon, worum es geht.«
»Mir wurde zugetragen, dass bald ein Schiff mit Vorräten für Richard Löwenherz im Hafen eintreffen wird. Eine Karawane soll sie zu ihm schaffen. Raschid ad-Din Sinan möchte nicht, dass diese Vorräte ihr Ziel erreichen.«
»Ein Hinterhalt?«, fragte Zahirah.
Halim nickte. »Zwanzig Kämpfer aus Masyaf werden der Karawane hinter Gaza auflauern. Richards Heer ist erschöpft. Wenn er die Vorräte nicht erhält, wird ihm nichts anderes übrigbleiben, als den Rückzug anzutreten und sich in den Palast von Askalon zu begeben … wo du schon auf ihn warten wirst.«
Zahirah zog die Brauen zusammen, hegte sie doch die Absicht, den Palast – und Sebastian – zu verlassen.
»Ich dachte, diese Nachricht würde dich erfreuen«, bemerkte Halim. »Hast du es nicht eilig, deine Mission zu beenden?«
»Doch. Aber es gibt inzwischen einige … Komplikationen.« Sie wappnete sich gegen Halims misstrauischen Blick und teilte ihm ihren Plan mit. »Der englische Hauptmann ist kein Narr. Er lässt mich kaum aus den Augen. Und wenn er es doch einmal tut, was nur selten vorkommt, wacht sein Diener über mich. In Sebastians Gesellschaft bleibt mir keine Zeit, nachzudenken … nicht genügend Luft zum … Atmen. Ich kann nicht in den Palast zurückehren, Halim. Die Gefahr, dass er mir auf die Schliche kommt, ist zu groß.«
Halims zweifelnder Blick wich einer vorwurfsvollen Miene. »Fürchtest du dich etwa vor diesem Sebastian?« Er spuckte den fremden Namen wie einen Fluch aus. »Fürchtest du ihn mehr als das, was dir droht, wenn du deinen Clan enttäuschst? Mehr noch als das Versprechen, das ich dir gegeben habe, als ich dich bei diesen Barbaren zurückließ?«
Bei Allahs Güte und Barmherzigkeit – aber das tat sie. Sie fürchtete Sebastian weitaus mehr als den Zorn ihres Clans und Halims Versprechen zusammengenommen. Das, was er in ihr auslöste, die Gefühle, die er in ihr erweckte, jagten ihr Angst ein. Am meisten aber fürchtete sie sich davor, ihr Herz an ihn zu verlieren; ein Risiko, das sie nicht eingehen durfte, und eine Schmach, die sie wohl niemals ertragen könnte.
»Meine Entscheidung ist gefallen«, sagte sie nachdrücklich. »Ich werde mir einen neuen Plan zurechtlegen, um meine Mission zu erfüllen, aber ich kehre auf keinen Fall in den Palast zurück.«
Sie wandte sich zum Gehen, doch Halim packte sie am Arm. »Du hochnäsiges Luder. Glaubst du etwa, es wäre so einfach? Glaubst du etwa, du könntest hier entscheiden, wie du willst?«
»Lass meinen Arm los, Halim.«
Sie riss sich los, doch der Assassine
machte zwei Schritte vorwärts und versperrte ihr den Weg, indem er sie an eine der Säulen im Bogengang der Moschee drückte. Sie nahm den Knoblauchgeruch in Halims Atem wahr, der ihr feucht übers Gesicht strich, während über ihnen die Stimme des Muezzins erklang. Der Ruf schallte durch den Hof und breitete sich über die Dächer der Stadt hinweg aus, rief die Gläubigen zum Juma, doch Halim starrte sie immer noch mit Mordlust in den Augen an. Unvermittelt spürte sie kalten Stahl an ihrer Brust, und Todesangst ergriff sie.
Doch sie weigerte sich, Schwäche zu zeigen. Unauffällig steckte sie eine Hand unter die Tunika und umfasste den Griff ihres Dolches. Wenn nötig, würde sie seinen Dolchstoß mit dem ihren vergelten. »Wenn ich sterbe,
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