Das Isaac-Quartett
hinter das Ohr, und der Kerl flog quer über die Place des Etats-Unis. Der Chef begann, Paris zu mögen.
In den Tuilerien hatte er noch mehr als eine Stunde Zeit. Die Abmessungen dieses langen, toten Gartens sagten ihm zu. Die Nutten, die am Rand der Tuilerien auf Kundenfang waren, strahlten eine Unabhängigkeit aus, die Isaac Bewunderung abnötigte. Sie trugen warme Mäntel. Keine von ihnen machte sich an ihn ran oder schien auch nur seine Gegenwart wahrzunehmen.
Auf der Rue de Rivoli begann Isaacs Heiterkeit nachzulassen. Eine großartige Reihe berittener Polizei mit Federn auf dem Rücken und silbernem Kopfschmuck rief ihm die Uniform seines Vaters ins Gedächtnis. Isaacs Zorn auf Joel wuchs. Mein Vater ist ein Clown, murmelte er vor sich hin. Ein Clown in einem rotzgrünen Hemd.
An der Rue de Rivoli standen jetzt nur noch schäbige Warenhäuser, die Schaufenster zeigten die Verwüstungen eines Schlachtfelds, und kurz darauf war Isaac im Marais. Enge Straßen mit windschiefen Gebäuden stießen in verrückten, undefinierbaren Winkeln aufeinander. Über Isaacs Kopf ragten Kaminkappen auf wie Warzen an einem monströsen Finger. Er kam an koscheren Metzgereien vorbei, an Restaurants, in denen »Boercht Romain« und »Salami Hongrois« serviert wurden, und an konkurrierenden Parolen ( »Israël Vaincre! « und »Halte à (’Aggression Arabe«) und an einer ausschließlich Nordafrikanern vorbehaltenen Synagoge. Joel, der die New Yorker Rabbis verflucht hatte, war auf seine alten Tage religiös geworden.
Isaac bereute seine Reise; er hätte stattdessen nach London fahren sollen, das London um Whitechapel, aus dem Joels Vater stammte; er hatte als Kleinkrämer Schlüpfer in der Princelet Street feilgeboten und war »Diakon« der Spitalfields Synagoge gewesen. Selbst damals hatten die Sidels nicht gebetet; sie waren für die wirtschaftlichen Angelegenheiten der Synagoge und für die Suppenküche für arme Juden zuständig gewesen, mildtätige Menschen durch die Bank.
Isaac fand das Haus in der Rue Vieille-du-Temple, in dem Joel wohnte. Kein Hof war zu sehen, kein benutzbarer Durchgang. Er stand neben dem Haus, bis eine alte Frau aus einer Öffnung in der Wand auftauchte. Isaac ging nach drinnen.
Er kroch im Dunkeln herum und suchte mit beiden Händen nach einem nicht vorhandenen Geländer; er berührte fettiges Holz und eine raue, niedrige Decke. Irgendwie kam er wieder raus und stand in einem Hof mit wüstem, blauem Boden und einem eingesunkenen Baum. Er humpelte auf eine Treppe zu. Sein Vater wohnte im obersten Stockwerk.
Joels Geliebte war Vietnamesin – Sophie hatte sich nie die Mühe gemacht, sich von ihrem herumziehenden Mann scheiden zu lassen; die Frau hatte ein zartes Kinn und köstlich geformte Wangenknochen. Sie arbeitete als Zimmermädchen im Iroquois. Joel nannte sie Mauricette. Sie konnte nicht über dreißig sein, doch außerhalb des Iroquois verjüngte sich auch Joel um ein Wesentliches. Er hatte den flaschengrünen Mantel und die Requisiten des Porträtmalers abgelegt und trug ein altes Samthemd. Ganz gegen seinen Willen fand Isaac seinen Vater reichlich gut aussehend. Zu Hause war Joel kein Clown. Das Rouge hatte er abgewischt.
»Wer hat deinen Mantel zerrissen, Isaac?«
»Das war nichts weiter, Papa. Ich bin zwei Taschendieben begegnet. Sie wollten mit mir tanzen. Ich habe abgelehnt. Allzu behände werden sie in den nächsten zwei Wochen nicht sein.«
Joel zuckte die Schultern über Isaacs Enthüllung; Kriminalromane konnte er nicht enträtseln. Er bot Isaac einen Platz am Tisch an. Der Geruch von perfekt bereitetem Reis drang in Isaacs Nase. Er sah Joels Verhältnisse nicht mehr ganz so verbissen. Joel brauchte nicht mehr als ein Zimmer. Hier hatte er alles untergebracht.
Sie aßen den Fisch mit den Händen, knabberten die Gräten ab. Isaac trank einen seidigen Wein, der ihm wie Wasser durch die Kehle rann. Joel quälte ihn erst nach beendeter Mahlzeit.
»Ein Superdetektiv, dessen kleiner Bruder im Gefängnis sitzt – Isaac, das muss moralische Gründe haben. Hat er die Frau des Polizeipräsidenten vergewaltigt?«
»Er sitzt nicht bei den Verbrechern, Papa, ich schwöre es dir. Es geht nur um eine Zivilklage. Ich würde nicht zulassen, dass Leo mit Perversen in Berührung kommt. Ich habe einen Bruder, der es für ritterlich hält, sich blind und taubstumm zu stellen. Dieser Leo geht freizügig mit seinem Leben um. Er kratzt sich den Arsch mit einem lecken Füller und verschreibt seine
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