Das kupferne Zeichen - Fox, K: Kupferne Zeichen
war.
Claire wurde aufs Herzlichste von den Nachbarn begrüßt und Ellen neugierig beäugt. Als Claire sich am nächsten Tag an die Arbeit machte, bestand sie darauf, dass sich Ellen noch ausruhte.
Am ersten Tag schlief Ellen noch viel, aber schon am nächsten langweilte sie sich und jammerte so lange, bis Claire sie schließlich in der Werkstatt duldete.
Die Gehängemacherin arbeitete an einem langen Tisch, auf dem sich Holzteile, Leinen, Leder und Fellstücke stapelten. In der Feuerstelle prasselte ein gemütliches Feuer, weil man Scheiden nicht mit klammen Fingern fertigen konnte und der Hasenleim warm gehalten werden musste. Ellen setzte sich hin und sah ihr zu. Sie kannte den ungefähren Aufbau solcher Scheiden bereits aus Tancarville. Sie mussten einzeln angefertigt und genau an die Klingenform des Schwerts angepasst werden. Die Innenseiten von zwei dünnen Holzschalen wurden dazu mit dem Fell von Kühen, Ziegen oder Rehen beklebt, wobei die Wuchsrichtung des Fells zur Spitze der Klinge zeigen musste. War die Scheide gut angepasst, verhinderte das Fell ein Herausrutschen der Waffe. Nachdem die beiden Holzteile mit dem Fell versehen waren, klebte Claire sie aufeinander und verband sie durch eine leimgetränkte Umwicklung aus Leinen, die sie später mit edlem Stoff oder Leder überzog. Zum Schutz der Spitze erhielt die Scheide zum Schluss noch einen Metallbeschlag, der Ortband genannt wurde. Die meisten Ortbänder waren aus Messing und wurden vom Klingenschmied selbst gefertigt, nur besondere Schwerter erhielten Ortbänder aus edlen Metallen wie Silber oder Gold. Mit schmalen Lederstreifen und einer speziellen Wickeltechnik wurde die Scheide dann an einem Gürtel, dem Gehänge, befestigt, sodass man das Schwert umschnallen konnte.
Gleich am darauf folgenden Tag setzte sich Ellen wie selbstverständlich mit an den Tisch und half Claire, ohne viel zu fragen. In der ersten Zeit sprach Ellen kaum. Sie arbeitete, aß dreimal am Tag mit Claire und Jacques und schlief abends in der Werkstatt.
»Heute ist Markt, wir müssen endlich Stoff besorgen und dir was Ordentliches zum Anziehen machen«, sagte Claire eines Tages, ging um Ellen herum und musterte sie von oben bis unten.»Du kannst unmöglich so in die Kirche gehen, in Männerkleidung! Und diesen Sonntag musst du mit, da führt kein Weg dran vorbei. Du bist jetzt schon drei Wochen hier; wenn du nicht mitkommst, heißt es am Ende noch, du hättest etwas zu verbergen.« Claire sah sie aus den Augenwinkeln fragend an.
Ellen vermied es, den Blick zu erwidern. Ihre Wunden waren schon recht gut verheilt, nur in ihrem Gesicht waren noch ein paar grünlich gelbe Flecken zu sehen, die zuvor lila-schwarze Blutergüsse gewesen waren. Schmerzen hatte sie keine mehr, dafür quälte sie eine starke Übelkeit. Morgens und nachts war es am schlimmsten. Zuerst hatte sie an Schwester Agnes’ Worte gedacht und geglaubt, doch noch an den Folgen von Thibaults Tritten sterben zu müssen. Aber der Tod war ausgeblieben. Die Übelkeit jedoch dauerte an. Um sie vor Claire zu verbergen, stand Ellen früher auf als die anderen und ging in den Garten, wenn sie diesen schrecklichen Brechreiz empfand. »Ich hole meinen Geldbeutel, dann gehen wir«, sagte sie zu Claire und lächelte mühsam, obwohl ihr schon wieder schlecht war.
Bei einem alten Händler fanden sie einen blauen Wollstoff, der ihren Zwecken genügte und nicht zu viel kostete. Ellen hatte jahrelang dieselben Kleidungsstücke getragen, war erst in sie hinein- und dann aus ihnen herausgewachsen. Sie hatte einen abgelegten Kittel von Donovan bekommen und ein neues Hemd, das Glenna für sie genäht hatte. Die Blutflecken vom Überfall waren längst herausgewaschen, und den kleinen Riss im Hemd hatte Claire geflickt. Ellen fand ihre Kleidungsstücke noch ausreichend tragbar, und bei dem Gedanken, sie gegen neue tauschen zu müssen, brach ihr der Schweiß aus. Diese Kleider hatten ihr Leben bestimmt, hatten ihr in den letzten Jahren Halt und Schutz gegeben – sie konnte sich nicht einfach so von ihnen trennen und zögerte den Kleidungswechsel hinaus. »Im Moment schwitze ich so viel«, gab sie vor. »Außerdem werde ich mir Leim auf den neuen Stoff kleckern, lasst mich erst sicherer werden bei der Arbeit«, versuchte sie, Claire zu überzeugen,und bat, den Stoff noch ein wenig aufzuheben. So hatte sie am folgenden Sonntag noch immer kein Kleid für die Kirche. Wie jeden Morgen stand Ellen vor den anderen auf, weil die Übelkeit sie
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