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Das Leuchten der Orchideen: Roman (German Edition)

Das Leuchten der Orchideen: Roman (German Edition)

Titel: Das Leuchten der Orchideen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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oder möchtest du noch was?«
    »Ich trinke noch ein Kännchen Tee«, sagte Margaret.
    Roland winkte den Ober herbei. »Noch einen Tee für die Memsahib.«
    Dann verschwand er und ließ Margaret ein klein wenig verstimmt zurück.
    »Earl Grey?«, erkundigte sich der Ober.
    »Nein, englischen Frühstückstee«, gab Margaret in ziemlich bissigem Ton zurück.
    Kurz darauf erhielt sie eine Nachricht von den beiden Gattinnen von Rolands Golfpartnern: Sie luden sie ein, mit ihnen im Broadstairs-Bungalow zu Mittag zu essen. Ein Chauffeur würde sie um zwölf Uhr am Smokehouse abholen.
    Da sie noch eine Menge Zeit totzuschlagen hatte, ehe sie sich für den Lunch fertig machen musste, beschloss sie, auf eigene Faust einen Spaziergang durch den Wald zu machen, der den Golfplatz umgab. Mit Rolands Fernglas und einem Wanderstock, den sie vom Hotel ausgeliehen hatte, brach sie auf. Bald aber stieß sie auf einen schmalen Pfad und sah, dass er zu einer Bergkuppe führte, von der aus sich bestimmt ein großartiger Blick auf die Landschaft bot.
    Je länger sie auf dem Weg dahinwanderte, desto dichter wurde das Blattwerk, so dass kein Sonnenstrahl mehr hindurchdrang. Ab und zu zweigten Nebenwege von ihrem Pfad ab. Sie vermutete, dass sie zu Privatbungalows führten oder von Hotelangestellten als Abkürzungen benutzt wurden. Abgesehen von gelegentlich vorbeischwirrenden Vögeln, herrschte völlige Stille.
    Sie blieb stehen und schaute zu den Baumwipfeln empor. Da hörte sie dort oben ein Rascheln und erblickte durch ihr Fernglas einen Affen mit einem rundlichen Gesicht, der sie ebenso erstaunt und neugierig anstarrte wie sie ihn. Als sie das Fernglas herunternahm, schwang er sich mit einem schrillen Kreischen davon, das Dutzende anderer Affen aufschreckte, die ebenfalls kreischend durch die Baumwipfel jagten.
    Margaret, beschwingt durch den Anblick der Tiere, folgte weiter dem Weg, der nun weniger gut zu erkennen war und in eine Senke führte, ehe er sich wieder bergauf schlängelte, auf die Kuppe zu.
    Es war wie in einer dunkelgrünen Grotte. Zu ihrer Erleichterung fand sie sich aber bald auf einer kleinen Lichtung wieder, wo eine Schneise den Blick auf das Bergpanorama auf der anderen Seite freigab. Die Landschaft erschien ihr dort noch viel wilder, und obwohl sie vermutete, dass sich hier irgendwo ein paar kleine Dörfer verbargen, konnte sie nichts als Dschungel erkennen. Das war nicht das sanfte Hügelgelände mit den Bungalows, Hotels, Geschäften und gepflegten Gärten mit den vertrauten Bäumen, wo sie mit Roland herumspaziert war. Durch ihr Fernglas sah sie, dass vor ihr nur eine endlose Wirrnis aus hohen Bäumen lag, umschlungen und umwuchert von Lianen und Farnen. Plötzlich kamen ihr die Geschichten von Tigern und anderen wilden Tieren, die sie aufgeschnappt hatte, sehr real vor. Das hier war ein ganz anderer Teil des Landes, unzivilisiert und auf einmal auch bedrohlich. Die Vororte von Brisbane schienen ihr sehr weit weg.
    Sie machte kehrt und ging etwas schnelleren Schritts den Weg zurück, den sie gekommen war. Doch an einer Stelle, wo ein schmaler Seitenpfad vom Hauptweg abzweigte, erstarrte sie vor Entsetzen. Mitten auf ihrem Weg kauerte eine riesige Echse, ein schuppiges, prähistorisches Wesen, das sie mit kaltem, steinernem Blick beobachtete und dabei züngelte. Margaret schlug sich die Hand vor den Mund. Im Garten ihrer Mutter hatte sie kleine Eidechsen gesehen, aber das hier war ein Monster, und es wollte sich offenbar nicht von der Stelle rühren. Es versperrte ihr weiterhin den Weg.
    Diesem Biest wollte Margaret auf gar keinen Fall zu nahe kommen. Mit seinen aus den knorrigen Füßen ragenden Klauen sah es ziemlich gefährlich aus. Hastig schaute sie sich um und schlug dann einen anderen schmalen Nebenpfad ein, von dem sie glaubte, er müsste entweder in den Hauptweg münden oder zu einem Bungalow oder einer der kleinen Siedlungen führen, in denen die Einheimischen lebten. Doch nachdem sie ihm eine Weile gefolgt war, ohne auf den Weg zum Golfplatz zurückzufinden, wurde ihr klar, dass sie sich verirrt hatte. Sie hatte keine Ahnung, wohin dieser Trampelpfad führte.
    Ihr war heiß, sie schwitzte ebenso vor Angst wie wegen der beklemmenden Schwüle. Geraschel und seltsame Geräusche aus dem Unterholz drangen an ihr Ohr, und je schneller sie lief, desto häufiger stolperte sie über Wurzeln und Steine. Ihr Atem ging stoßweise. Bei einem flüchtigen Blick auf ihre Armbanduhr sah sie, dass es bereits Mittag war

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