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Das Lied der schwarzen Berge

Das Lied der schwarzen Berge

Titel: Das Lied der schwarzen Berge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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wenn er an die Quelle herantrat, die aus dem Felsen kam, und in ledernen Eimern Wasser in seine Holzhütte trug.
    Er hatte Zeit, ja, die Zeit arbeitete für ihn. Was wußten die kleinen Menschen dort unten, wie mächtig die schwarzen Berge waren! Sie wühlten die Erde auf, sie rodeten die Wälder, sie gruben Felsen aus, sie sprengten das Gestein und gossen zwischen Eisen und Holz dicke Mauern vor das Tal. Sie wollten die Natur bezwingen, sie wollten Gottes Schöpfung korrigieren. Jossip lachte darüber und stand über Zabari in den Felsen, ein einzelner Mensch, der daran glaubte, daß die Neuzeit nicht stärker war als das Gesetz der Berge.
    Ralf Meerholdt blieb erstaunt vor dem langen Schanktisch Bonellis stehen, als er Rosa mit anderen Mädchen Gläser spülen sah. Er winkte Bonelli herbei und zeigte auf sie.
    »Was soll das?«
    »Meine Mädchen!« antwortete Bonelli stolz. Sein rechtes Auge war gelb geworden, und jeder im Lager wartete darauf, wann das linke wieder blau erglänzte.
    »Was soll denn Rosa dort?«
    »Rosa? Die Schwarze? Die kam vor drei Tagen zu mir und wollte Sie sprechen. ›Kind‹, habe ich zu ihr gesagt. ›Der Herr Ingenieur hat keine Zeit! Von morgens bis abends und in der Nacht arbeitet er. Was willst du von ihm?‹ – ›Nichts‹, sagte das Mädchen. Und plötzlich besann sie sich und meinte: ›Haben Sie keine Arbeit für mich?‹« Bonelli hob die Schultern. »Arbeit habe ich immer … und nun ist sie hier.«
    Meerholdt nickte. »Es ist gut, Bonelli.« Er ließ den Kantinenwirt stehen und trat an den Tisch heran. Über die Gläser hinweg faßte er Rosas Hand und hielt sie fest, als sie ein Glas ins Wasser tauchen wollte.
    Sie sah ruckartig auf. Ihr Blick war traurig.
    »Sie kennen mich noch?« Ihre Lippen zitterten.
    »Sei nicht dumm, Rosa.« Er nahm ihr das Glas aus der Hand und stellte es zur Seite. »Wenn die Vorarbeiten fertig sind, habe ich mehr Zeit.«
    »Ich glaube es nicht …«
    »Aber Rosa!« Er versuchte, sie heranzuziehen, aber sie entriß ihm den Arm und trat zurück an die Hinterwand. »Du liebst mich nicht mehr!« In ihre Augen trat jene Dunkelheit, die Ralf schon erschreckte, als er sie zum erstenmal küßte. »Du bist anders als damals … Und ich habe mich so gefreut auf dich …«
    »Die Arbeit, Rosa … der Damm! Er ist wichtiger als wir …«
    »Es gibt für mich nichts Wichtigeres als dich …«
    Natürlich, dachte er. Was weiß sie von dem, was hier entsteht? Sie ist ein Kind der Natur, sie kennt nur Liebe und Haß, Leben und Vergehen, Geben und Nehmen. Alles in ihr ist einfach, so klar, so unabwendbar wie der Lauf der Sonne und die Schatten des Mondes, wie der Einbruch des Winters und die Trockenheit des Sommers.
    Er beugte sich vor und nahm wieder ihre Hand. Sie entzog sie ihm nicht, aber sie rührte sich auch nicht von der Wand.
    »Du hast recht, Rosa«, sagte er versöhnlich. »Wir wollen heute abend Spazierengehen. In den Wald oder dorthin, wo du am liebsten sitzt …«
    »Wo ich immer an dich gedacht habe …«, sagte sie leise. In ihre Augen trat ein glücklicher Schimmer. »Ich warte auf dich. Wenn der Mond über der Spitze des Waldes steht, bin ich hinter dem Haus im Garten.«
    Er drückte ihre Hand und ging.
    Wenn der Mond über der Spitze des Waldes steht, dachte er. So etwas gibt es noch auf unserer nüchternen Welt! Keine Uhrzeit, kein Hasten, kein Sklave des schleichenden Zeigers auf einem phosphoreszierenden Zifferblatt. Der Mond ist es, der die Zeit sagt, der Mond über der Spitze des Waldes.
    Er ging hinüber zu den Baustellen. Zwei Italiener schrien auf einen Bauern ein, der mit einem Ochsenkarren vom Feld kam und mit der Deichsel eine Tonne mit Kalk umgestoßen hatte. Auf der Sohle des Tales wuchs das Gerüst für den Betonguß empor. Mächtige Bretterwände, durchzogen mit Eisenträgern und riesigen Stahlgeflechten, schoben sich empor. Die Planierraupen zogen die von den Motorsägen gefällten Stämme über den Boden des Tales in eine Seitenschlucht, während an den hohen Kränen die Verschalungen und Träger in die Tiefe pendelten.
    Die Schachtmeister und Vorarbeiter, an denen Ralf Meerholdt vorbeikam, meldeten ihm den Fortgang der Arbeit. Auf einem Gerüst, das in halsbrecherischer Art fast frei, nur auf einer Felsnase aufliegend, über das Tal ragte, stand einer der jungen Techniker und erklärte auf einem großen Bauplan einem Meister die weiteren Teile.
    Meerholdt blieb am Rande des Tales stehen und überblickte das Werk. Es waren seine

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