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Das Lügenlied vom Glück: Erinnerungen (German Edition)

Das Lügenlied vom Glück: Erinnerungen (German Edition)

Titel: Das Lügenlied vom Glück: Erinnerungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Fischer , Manfred Maurenbrecher
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ging meine Leidenschaft verloren.
    Es war ein schlimmer Bruch, und was er für Konsequenzen hatte, sickerte nur sehr langsam in mein Bewusstsein. Mein musikalisches Alter Ego war weg. Der, dem ich blind vertraute und mit dem mich diese große Leidenschaft für eine bestimmte Art von Musik, für Texte und Ästhetik verband. Und es war ja nicht nur so, dass mein Komponist verschwunden war, auch fast mein gesamtes Repertoire war mit dieser Republikflucht dahin. Denn die Musik von fortgegangenen Künstlern kam in der DDR in den »Bunker«, den Ort der öffentlichen Verdammnis. Sie durfte nicht mehr gespielt werden, nicht im Radio, nicht auf Konzertbühnen. Der Komponist war weg, die Stimme noch da. So ließ sich das zusammenfassen. Und mir war bewusst, dass dieses Profil und diese Qualität, die die »alte« Musik vorgab, mit neuen Partnern nicht in naher Zukunft neu zu erarbeiten war! Dazu kannte ich die Szene zur Genüge. Alles hätte fürs Erste zunächst nur Stückwerk sein können, das Niveau wäre ein anderes gewesen. Mit Franz hatte ich mein musikalisches Gesicht verloren!
    Auch das Angebot der WEA hatte sich damit zumindest zunächst erledigt. Was sollte mit der Band geschehen? Waren wir jetzt alle arbeitslos?
    Marianne legte sich ins Zeug. Sie war der Meinung, gute Angebote und viel Arbeit wären die Rettung. Zunächst auf eine Tournee ins Ausland; bis wir zurückkämen, würde sich schon eine Lösung gefunden haben. Ob ich mein Repertoire einsetzen dürfte, wollte sie schnellstmöglich abklären. Auch die Kulturinstitute wollten helfen, das Goethe-Institut sondierte Auftrittsmöglichkeiten in Mexiko und anderen südamerikanischen Ländern.
    Man wollte mich gnädig stimmen, mir entgegenkommen, um meinen Weggang zu verhindern, mir neue spannende Aufgaben geben. Man wollte die Jugend beruhigen, die sowieso schon viele Idole verloren hatte. Da rumorte es ohnehin. Das Goethe-Institut schätzte unsere Musik, insbesondere die schönen deutschsprachigen Texte die ich sang, die unsere deutsche Kultur repräsentierten. Das war schon vor dieser Situation im Gespräch, aber es war die Idee meiner Fürsprecher, nicht des Staatsschutzes, der Stasi.
    In Rainer Kirchmann fanden wir bald einen neuen Pianisten. Die Band blieb ansonsten zusammen. Viel später übrigens erzählte mir Jäcki, der Bassist, Franz habe ihn ursprünglich damals überreden wollen, mit ihm in Westberlin zu bleiben. Er war so ungern allein. Erst nachher fragte er den Techniker Stiehler, denn Jäcki hatte abgelehnt, er war jung verheiratet mit erstem Kind. Aber er schwieg zu uns allen. Man vertraute sich, indem man sich nicht ins Vertrauen zog.
    Wir waren also bald wieder auftrittsfähig. Marianne scheiterte zwar mit ihren Auslandstourneeplänen, doch sie erreichte, dass die alten Titel genutzt werden konnten, wenn auch unter Vorbehalt. In ihrem Vierteljahresbericht vom 30. September 1980 schrieb sie: »Es kam eine alle unsere Erwartungen übertreffende Regelung zustande. Das war die wichtigste Entscheidung für Veronika Fischer. Alle Mitglieder des Ensembles sind sich der Einmaligkeit bzw. Erstmaligkeit des Vorgangs bewusst, allerdings auch der Bindung der Entscheidung an das weitere politische Verhalten von Franz Bartzsch.«
    Damit war gemeint, dass Franz bisher noch bereit war, unsere alten Titel als Komponist von der AWA vertreten, sich also die Lizenzen in Mark der DDR auszahlen zu lassen.
    Dieses Geld sollte seiner von ihm verlassenen Familie zugute kommen.
    Um Geld ist es nämlich auch immer gegangen, nicht nur um Staatsraison oder den Sozialismus.
    In ihrem Bericht machte Marianne überdies ihrer ganz persönlichen Enttäuschung Luft: »Ich habe 1977 diese Mentorenschaft mit der Absicht übernommen, die (…) Künstlerpersönlichkeiten Veronika Fischer und Franz Bartzsch irgendwie zu einer erneuten Zusammenarbeit zu bewegen, weil ich ihre gemeinsame Musik zum künstlerisch Wertvollsten und Eigenständigsten rechne, was sich in unserem Lande entwickelt hat.«
    Leben zwischen den Systemen, zwischen den »Welten«
    Ich konnte nicht zur Tagesordnung übergehen, gab mich geschlagen. Und war endgültig ein Fall für die Staatssicherheit geworden, die am Ende am längeren Hebel saß als die Kulturbehörden.
    Ich war im Visier.
    Liest man die Stasiprotokolle, spürt man das aufsteigende Misstrauen von beiden Seiten. Gerüchte ließen Feindbilder entstehen, aus denen feindliche Fantasien wuchsen, die dann zu Feindabwehrmaßnahmen wurden.
    Hier eine kleine

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