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Das Meer Der Lügen: Ein Lord-John-Roman

Titel: Das Meer Der Lügen: Ein Lord-John-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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seinem rechten Arm aufgeplatzt war. Zum Kuckuck, was nun?
    Er tendierte zu einem schlichten Salomonsurteil, das jeder Frau eine Hälfte Tim O’Connells zugestand, und verwarf den Gedanken nur deshalb, weil es zu viel Zeit in Anspruch genommen hätte und sein Rapier für eine solche Teilung vollkommen ungeeignet war. Doch wenn die Witwen ihm weiter Schwierigkeiten machten, das schwor er sich, dann würde er Tom auf der Stelle losschicken, um ein Metzgersbeil zu holen.
    Grey seufzte, steckte sein Schwert ein und rieb sich mit dem Zeigefinger über die Stelle zwischen seinen Augenbrauen.
    »Mrs. … Scanlon.«
    »Aye.« Die Schwellung ihres Gesichtes war etwas zurückgegangen; jetzt waren es Argwohn und Wut, die ihre funkelnden Augen verengten.
    »Als ich Euch vor zwei Tagen besucht habe, habt Ihr das Geschenk zurückgewiesen, das Euch die Waffenkameraden Eures Mannes machen wollten, mit der Begründung, dass Ihr Euren Gatten in der Hölle wähntet und kein Geld für Messen und Kerzen verschwenden wolltet. Ist es nicht so?«
    »So ist es«, sagte sie zurückhaltend. »Aber -«
    »Nun denn. Wenn Ihr glaubt, dass er sich derzeit in der Unterwelt befindet«, argumentierte Grey, »so ist dies eindeutig ein Dauerzustand. Der bloße Akt, seine Leiche an einem bestimmten Ort oder nach katholischem Ritual zu
beerdigen, wird nichts an seinem unglücklichen Schicksal ändern.«
    »Wir können aber doch nicht mit Gewissheit sagen, ob die Seele eines Sünders in die Hölle gefahren ist«, wandte der irische Priester ein, der plötzlich seine Aussicht auf Bezahlung für O’Connells Beerdigung schwinden sah. »Gottes Wege sind uns Armen verborgen, und wer weiß, ob nicht Tim O’Connell am Ende seine Schlechtigkeit bereut hat, seine Sünden eingestanden hat und direkt ins Paradies und in die Arme der Engel aufgenommen worden ist!«
    »Exzellent!« Grey stürzte sich auf diese unvorsichtige Spekulation wie ein Leopard auf seine Beute. »Wenn er im Paradies ist, bedarf er der irdischen Intervention noch viel weniger. Also -« Er verbeugte sich förmlich vor den Scanlons und ihrem Priester. »Euch zufolge kann der Verstorbene entweder verdammt oder gerettet sein, befindet sich jedoch mit Sicherheit in einem dieser beiden Zustände. Wohingegen Ihr -«, er wandte sich an Miss Stokes, »- der Meinung seid, dass sich Tim O’Connell vielleicht in einem Übergangszustand befindet, in welchem ihm ein Akt der Fürsprache von Nutzen sein könnte?«
    Miss Stokes betrachtete ihn einen Moment mit leicht geöffnetem Mund.
    »Ich möchte nur, dass er anständig beerdigt wird«, sagte sie und klang plötzlich kleinlaut. »Sir.«
    »Nun denn. Ich bin der Auffassung, dass Ihr, Madam -«, er warf einen scharfen Blick auf die frisch gebackene Mrs. Scanlon, »- Eure gesetzlichen Ansprüche in dieser Angelegenheit weitgehend verwirkt habt, da Ihr nun mit Mr. Scanlon verheiratet seid. Wäre es für Euch
akzeptabel, wenn Miss Stokes Euch die Kosten des Sarges zurückerstatten würde?«
    Grey betrachtete die irische Abordnung und sah, dass sie mürrische Mienen zog, aber schwieg. Scanlon sah erst den Priester an, dann seine Frau und schließlich Grey. Er nickte kaum merklich.
    »Nehmt ihn mit«, sagte Grey zu Miss Stokes und trat zurück, wobei er mit einer knappen Geste auf den Sarg wies.
    Er schritt gezielt auf Scanlon zu, die Hand an seinem Schwertknauf, doch obwohl in den Reihen der Iren Unruhe herrschte, Unmutsbekundungen laut wurden und hier und dort auf den Boden gespuckt wurde, schien keiner von ihnen vorzuhaben, über gemurmelte Beleidigungen hinauszugehen, als Miss Stokes’ Begleiter die umstrittenen Überreste in Besitz nahmen.
    »Darf Ich Euch zu Eurer Eheschließung gratulieren?«, sagte er höflich.
    »Ich danke Euch, Sir«, sagte Scanlon ebenso höflich. Francine stand an seiner Seite und kochte vor Zorn unter ihrem Hut.
    Dann standen sie alle schweigend da und sahen zu, wie Tim O’Connell fortgetragen wurde. Iphigenia Stokes wusste mit ihrem Triumph überraschend getragen umzugehen; sie würdigte die besiegten Iren weder eines Blickes noch eines Wortes, und ihre Helfer folgten ihrem Beispiel und nahmen den Sarg schweigend an sich. Miss Stokes nahm die Position der Haupttrauernden ein, und die kleine Prozession bewegte sich davon. An ihrem Schluss riskierte Reverend Mr. Cobb einen kurzen Blick zurück und winkte Grey kaum merklich zu.

    »Gott lasse seine Seele ruhen«, sagte Vater Doyle fromm und bekreuzigte sich, als der Sarg in der Gasse

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