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Das Meer Der Tausend Seelen

Das Meer Der Tausend Seelen

Titel: Das Meer Der Tausend Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Ryan , Catrin Frischer
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Sims hochzuklettern. Aber er schafft es nicht. Nur wegen der Haken stürzt er nicht ab, und sogar von hier kann ich sehen, dass seine Hände erlahmen.
    »Bitte«, höre ich ihn sagen. Sein Blick irrt wild umher, geht zum Himmel, den Mudo, zu den anderen Rekrutern auf der Brücke, zu mir. In diesem Augenblick ist er kein Rekruter, kein Monster, er ist genau wie Elias und Cira und die anderen. Nur jemand, der seine Familie und vielleicht seine Freunde verlassen hat, um seinen Dienst zu tun und ein besseres Leben zu finden.
    Dann höre ich ein lautes Quietschen, das nächste Auto rammt die anderen. Unter ihrem Gewicht wölbt sich der Zaun. Die Brücke neigt sich noch stärker. Und der Rekruter lässt los, sein schwarzes Hemd flattert um ihn herum. Noch als er durchs Nichts stürzt, suchen seine Arme nach einem Halt, nach Rettung.
    Unsere Blicke begegnen sich. Ich sehe das Entsetzen. Er weiß, was ihn erwartet. Ich drücke das Gesicht an die Schulter, weiß aber genau, wann er auf dem Boden aufkommt – das Anschwellen des Stöhnens ist unverkennbar. Die Stimmen der Horde werden lauter, eine Flutwelle aus Lärm und Verlangen.
    Als ich das Ende der Brücke beinahe erreicht habe, höre ich ein lautes Knacken und das Geräusch von brechendem Metall. Der Zaun unter meinen Fingern spannt sich und scheint sich aufzulösen. Ich schiebe mich so schnell ich kann auf dem Sims entlang – und in dem Moment, in dem mir eine enorme Erschütterung durch Mark und Bein geht, erreiche ich die Straße.
    Catcher rennt, während sich hinter ihm alles auf einmal auflöst. Kreischend setzen sich Autos in Bewegung und türmen sich übereinander. Was noch von der Brücke übrig ist, lehnt sich immer weiter zur Seite und löst sich schließlich in seine Bestandteile auf.
    Ein riesiger Abschnitt reißt ab und poltert ins Tal hinunter, das Geräusch ist laut wie ein Donnerschlag. Catcher hat mich indessen erreicht und schubst mich auf eine Mauer an der Straße. Dort verharren wir keuchend und spüren den Nachhall der Erschütterung im Boden.
    Ein paar Rekruter stehen an der Kante, an der die Brücke jetzt endet, und schauen über die riesige Kluft zu uns herüber. Es wirkt, als würden wir uns über die Horde hinweg mit angehaltenem Atem in die Augen sehen. Einer der Rekruter, ein großer Mann mit einem roten Stoffstreifen über der Brust, zeigt auf Catcher und mich – ob es eine Ehrenbezeigung, ein Abschiedsgruß oder das Versprechen sein soll, uns zu finden, weiß ich nicht. Doch folgen können sie uns auf keinen Fall, das weiß ich. Erst einmal sind wir in Sicherheit.
    Irgendwann drehen sie sich um und machen sich auf den Rückweg, der Mann mit dem roten Stoffstreifen geht als Letzter.
    Ich lasse den Blick den Pfad am Berg entlangwandern, bis ich die Klippe sehe, über die Elias gestürzt ist, die übrigen Rekruter scharen sich dort wie schwarze Käfer. Aber ein Stück von ihnen entfernt kann ich meine Mutter und Harry Arm in Arm stehen sehen, Odys sitzt ganz klein neben ihnen.
    Und dann sehe ich noch eine andere Gestalt, die sich auf sie stützt: Elias. Er hebt die Hand und winkt mir zu, ich tue es ihm gleich. Das ist das Versprechen, alles zu tun, was nötig ist, um wieder bei ihm sein zu können … Annah zu finden und in der Dunklen Stadt auf ihn zu warten.
    »Wir haben es geschafft«, sage ich zu Catcher, der sich immer noch im Schockzustand befindet, immer noch völlig erstaunt ist, dass wir überlebt haben, dass wir über die Horde hinweg die Brücke überqueren konnten.
    »Wohin?«, fragt er.
    Ich wende mich ihm zu und versuche zu lächeln. »Hierher«, sage ich. »Lebendig.« Es fühlt sich komisch an, hier auf der Mauer zu stehen und nicht zurennen. Ein paar Mudo stolpern über Autos, die hier und da auf der Straße stehen, und wollen auf mich zu schlurfen. Doch in diesem Moment sind wir noch in Sicherheit.
    Nun lächelt Catcher auch. »Und was jetzt?«
    Ich schaue auf das weggebrochene Brückenstück. Auf diesem Weg werden wir nie wieder zurückgehen können. »Wir laufen weiter«, sage ich. »Wir suchen uns einen Weg hier raus, schlagen uns zur Dunklen Stadt durch, suchen Annah und warten auf Elias.«
    Er nickt und grinst immer noch. Nachdem wir uns ausgeruht haben und das Zittern in unseren Beinen aufgehört hat, balancieren wir auf der Mauer an der Straße entlang, bis wir wieder auf den Pfad stoßen. Wie auf der anderen Seite des Tales enden die beiden Seiten des Zaunes vor der Mauer, der sichere Pfad dazwischen führt hinauf in

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