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Das Paradies des August Engelhardt

Das Paradies des August Engelhardt

Titel: Das Paradies des August Engelhardt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Buhl
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rutschte zur Seite, wies auf den Platz neben sich und wiederholte es auf Deutsch, setz dich August, aber Engelhardt ging nach vorne, wo der Pater Plätze in der ersten Reihe reserviert hatte für die zwei Weißen Kabakons und den Leiter der Handelsniederlassung auf der Nachbarinsel, Besitzer des einzigen Grammophons auf ihren Inseln. Es wurde nur kurz still, als der Pater vor den Altar trat, die Arme ausbreitete, der Herr ist wahrhaftig auferstanden, dann fingen die Eingeborenen wieder an zu reden, irgendwo wurde gestritten, eine Frau schimpfte auf ihren Mann, Väter diskutierten den Preis für eine Braut, das Schwein war nicht fett genug gewesen, mindestens ein Ferkel kostet das noch, sonst wird man das Mädchen zurückholen. Zwei Häuptlinge verfeindeter Sippen nutzten den neutralen Grund für Friedensverhandlungen, ein Huhn schritt über die Schwelle der Kirche, nickte mit dem Kopf, war irritiert über die vielen Besucher, und der Alte in der letzten Reihe versuchte es zu packen und ihm die Gurgel umzudrehen, aber es flüchtete gackernd unter die Kirchenbänke, der Herr ist wahrhaftig auferstanden, wiederholte Pater Joseph, diesmal lauter und drohender, sodass es ruhig wurde, denn sie fürchteten um ihren Tabak, die Regeln waren klar, und mit ihm war nicht zu spaßen, sogar das Huhn hörte auf, verstört herumzurennen, suchte sich einen Platz unter dem Taufbecken, barg den Kopf unter dem Flügel und schlief wieder ein. Pater Joseph öffnete die schwere Bibel, ließ den Blick durch die Reihen gleiten, fixierte einen jungen Kerl, der mit seinem Nachbarn flüsterte, bis er schwieg, und las, als der Sabbat vorüber war, kauften Maria aus Magdala, Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome wohlriechende Öle, um damit zum Grab zu gehen und Jesus zu salben. Am ersten Tag der Woche kamen sie in aller Frühe zum Grab, als eben die Sonne aufging, machte eine Pause, zog seine Uhrkette aus dem Talar, runzelte die Stirn, las die Stelle noch einmal, diesmal langsamer und betonter, und mit dem letzten Wort ging tatsächlich die Sonne auf, weit draußen auf dem Meer, ein Lichtstrahl fräste sich durchs Dunkel, ließ den Altar aufleuchten, die Blumen darauf und den goldenen Christus am Kreuz. Die Eingeborenen schnalzten anerkennend.
    Max Lützow hatte sich inzwischen nach vorne gesetzt und das Akkordeon auf den Schoß genommen. Pater Joseph nickte ihm zu, und er fing an zu spielen. Die Kinder der Missionsstation sangen, alle in weißen Hemden und blauen Röcken und Hosen, der Morgen rötet sich und glüht, der ganze Himmel tönt von Lob, in Jubel jauchzt die Erde auf, und klagend stöhnt die Unterwelt, manche der Erwachsenen, die mehr oder weniger getauft waren, fielen mit ein, auch Kabua, der in der Mission aufgewachsen war, der starke, königliche Held zerbrach des Todes schweren Bann. Sein Fuß zertrat der Hölle Macht: Aus harter Fron sind wir befreit, sogar etwas in Engelhardt begann zu singen, das Kind, das er gewesen war und das noch immer in ihm lebte, zehn Jahre alt, vielleicht auch zwölf, sang voller Inbrunst wie damals in Nürnberg, rechts der Vater, streng, breit und wütend, auf der anderen Seite des Gangs die Mutter, leise und fast schon verstummt, sein Bruder war schon nicht mehr bei ihnen, er lebt bei den Engeln, hatte seine Mutter gesagt, und du hast ihn umgebracht, der Vater, vielleicht war er schon damals ein Mörder gewesen und blieb es und würde es zeit seines Lebens bleiben, er, den der Stein verschlossen hielt, und den man noch im Grab bewacht, er steigt als Sieger aus dem Grab, fährt auf in strahlendem Triumph und über allem dröhnte der Bass Pater Josephs, der noch immer mit ausgebreiteten Armen vor dem Altar stand, etwas grob, aber laut genug, schon werden alle Klagen stumm, in Freude wandelt sich der Schmerz, denn auferstanden ist der Herr; ein lichter Engel tut es kund, Lützows Tenor improvisierte, dem Herrn sei Preis und Herrlichkeit, der aus dem Grabe auferstand, dem Vater und dem Geist zugleich, durch alle Zeit und Ewigkeit. Amen, und selbst die gekauften Gottesdienstbesucher summten mit.
    Die Sonne stieg schnell. Ihre Strahlen hatten sich schon von Christus abgewandt, vom Altar zurückgezogen, nur eine Lichtpfütze blieb an der Türschwelle.
    Lützow schloss kurz die Augen, öffnete sie wieder und spielte die ersten Töne von Bachs Toccata in d-Moll.

Kabua hat Hunger. Gleich gibt es das süße Brot unf die Eier, deswegen ist er hier und wegen des Tabaks, doch der Gottesdienst ist noch nicht zu

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