Das Rätsel der Templer - Roman
so was auf einmal möglich ist. Soweit ich weiß, hat Hagen deine Herzensdame
die letzten Monate ausnahmslos an den Wochenenden in Beschlag genommen. Findest du es nicht merkwürdig, dass er sie gerade
jetzt für so viele Wochenenden freistellt, wo man euch zuvor das erste gemeinsame Wochenende seit langem gestrichen hat?«
»Ich weiß beim besten Willen nicht, wie du daraus einen Zusammenhang ableiten kannst.« Paul runzelte die Stirn, als ob er
angestrengt nachdenken würde. »Na ja«, sinnierte er weiter, »eigentlich war alles geplant. Candlelightdinner im Penthouse,
Champagner und zum Nachtisch schwarze Seidenunterwäsche und der kleine Paul auf einem silbernen Tablett. Aber dann sollte
sie für Hagen noch etwas ausarbeiten, und ich wurde von Piglet auf dem Sklavenmarkt verkauft.«
»Sag ich doch«, erwiderte Tom und schaute kurz auf. Seine ohnehin bedenklich blasse Gesichtfarbe wurde von der Bildschirmbeleuchtung
in ein zartes Grün getaucht.
»Was sagst du?« Paul sah ihn verständnislos an.
|225| »Wann hat sie denn von ihrem Auftrag erfahren?«
»Gestern.«
»Weiß Hagen von eurem Verhältnis?«
»Denke schon.«
»Na also. Findest du es nicht komisch, dass man ihr zum gleichen Zeitpunkt das Wochenende cancelt wie dir? Und euch im Anschluss
daran, sozusagen für eure Tapferkeit mit sechs freien gemeinsamen Wochenenden belohnt?«
»Du siehst Gespenster! Hagen ist eben ein netter Kerl.«
»Gerade das ist es, was mir zu denken gibt.«
»Grüble nicht soviel, Tom. Vielleicht solltest du dir allmählich wieder eine Freundin zulegen. Wenn du so weitermachst, wirst
du noch seltsam. Ich kenne da einen heißen Feger in der Finanzabteilung, eine von Piglets Buchhalterinnen. Ein bisschen graumäusig
wie ihr Chef, aber sie quetscht Karen jedes Mal aus wie eine Zitrone, wenn sie mit mir zusammen war. Scheint erhöhten Bedarf
zu haben, das Mädel. Solche sind die dankbarsten, glaub mir.«
Paul erntete einen warnenden Blick. »Vielleicht konzentrierst du dich auf deine Arbeit, Kumpel, sonst melde ich meinen erhöhten
Bedarf bei dir an«, erklärte Tom mit einem missmutigen Schnauben.
Im Gegensatz zu Paul, der sich mit der Hard- und Software der eingesetzten Computeranlage beschäftigte, trug Tom die Verantwortung
für den Einsatz des Kernfusionsreaktors und für die entsprechende Energiezufuhr im integrierten Magnetfeld. Gemeinsam war
er mit Paul in die mathematische Auswertung der materialisierten Gegenstände involviert, die gewöhnlich während einer laufenden
Versuchsreihe auf dem Feld erschienen. Alle weiteren biologischen und geologischen Untersuchungen wurden von Wissenschaftlern
anderer Fachgebiete vorgenommen. Auch wenn die Ergebnisse der bisherigen Arbeit nicht unbedingt als spektakulär bezeichnet
werden konnten, musste doch bedacht werden, dass es sich bei den Forschungsaktivitäten um tatsächliche Eingriffe ins Raum-Zeit-Kontinuum
handelte, die alles andere als unbedenklich eingestuft werden durften.
Der Nachmittag war bereits fortgeschritten. Toms Magen knurrte. Paul streckte seine Glieder.
»Willst du auch einen Kaffee?«, fragte Tom seinen Kollegen.
|226| Paul schüttelte den Kopf, während er fortfuhr, die Berechnungen für den heutigen Versuch abzuschließen. »Wenn du damit das
nicht unbedingt empfehlenswerte Gebräu aus dem Automaten meinst, das den Namen Cappuccino definitiv nicht verdient, kann ich
nur nein danke sagen.«
Entgegen der Vorschrift, keine Lebensmittel mit in die Überwachungskanzel bringen zu dürfen, kehrte Tom wenig später mit einem
dampfenden Becher zurück, und bevor er sich endgültig die Finger verbrannte, stellte er den dampfenden Becher auf einem Stapel
DVD-Hüllen ab.
Paul war zu beschäftigt, um Tom, der einen leisen Fluch ausstieß, seine Aufmerksamkeit zu schenken. Die Vorgabe für das Experiment
lautete: 16. 10. 1307, 18:31 h MEZ. Obwohl die erforschten Zeitstrukturen mitnichten einem von Menschenhand erstellten Kalender
folgten, hatte es sich als sinnvoll erwiesen, den jeweiligen Stand der Gestirne in den einzelnen Zeitepochen heranzuziehen,
um eine Fixierung der Zeitabstände auf horizontaler Ebene herbeizuführen. Mithilfe eines entsprechenden Programms, das sowohl
den Julianischen als auch den Gregorianischen Kalender berücksichtigte und die Ergebnisse auf das magnetische Gerüst des Raumes
übertrug, konnte Paul auf die Nanosekunde genau berechnen, wann oder wo er etwas ausschneiden musste. Trotzdem
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