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Das Salz der Mörder

Das Salz der Mörder

Titel: Das Salz der Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Otto Stock
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umzubringen. Als ich mit einem unserer irakischen Wärter einen
‚deal‘ aushandeln wollte, wurden wir dabei überrascht. I’ve got a raw deal. Was
mit dem Iraker passierte, kann ich nicht sagen. Ich habe ihn danach nicht mehr
gesehen. Ich Ungläubiger, jedenfalls, bekam meine ‚gerechte’ Gottesstrafe.
Obwohl die mir kurz zuvor das rechte Bein mehrfach gebrochenen hatten, warfen
sie mich mit dem Bauch auf eine Holzpritsche, rissen meine Füße hoch und schlugen
mit einer dünnen Gummirute zuerst die Fußsohlen und dann den ganzen Körper grün
und blau. Niemand ist in der Lage diese unmenschlichen Schmerzen bewusst
auszuhalten. Danach sperrten sie mich für eine Weile - ich weiß nicht, wie
lange - in Isolationshaft. Ich war kaum noch bei klarem Verstand. Ich lag
zusammengekrümmt vor Schmerzen in einer Ecke meiner Einzelzelle und wollte
nicht mehr zulassen, dass man mich so behandelt. Eines nachts zerriss ich die
Überreste meines Hemdes und kam auf den heroischen Gedanken mich damit
umzubringen. Dazu pinkelte ich in die Stofffetzen, um sie anzufeuchten und
stopfte sie dann einzeln tief in meinen Rachen. Ich war am Ersticken.
Verschwommen sah ich diese Bilder - wie in einem Film lief alles vor mir ab:
Kindheit, Jugend und so was. Anschließend tauchte Freddy in meiner Fiktion auf,
wie er einsam in seinem Verlies dahinvegetiert. Schließlich strömte eine Vision
von Zukunft in mich ein. Ich riss die Lappen aus meinem Hals und entschied: Ich
darf das nicht.“
    „Herr
Wegner, wie hält man das alles aus?“
    „Ich
bin nicht gerade religiös. Mein Wissen um den Glauben hatte ich mir irgendwo
angelesen, somit konnte ich nicht viel von diesem Glauben verlieren. Ich sagte
zu Steven: Nun bete ich seit Wochen und wir beide sind immer noch in diesem
Kerker. Er meinte: Du betest falsch. Bete um die Fähigkeit diesen verdammten
Scheiß zu überstehen. Das half tatsächlich. Und naturgemäß versucht man in
solchen Situationen mit dem lieben Gott zu verhandeln: Wenn Du mir jetzt
hilfst, werde ich ein besserer Mensch. Na ja, Sie wissen schon.“
    „Mister
Smiley, wie hat sich ihr Leben verändert?“
    „Sehen
sie sich meine Haare an - vor vier Monaten waren die noch blond, jetzt sind sie
schlohweiß. Doch Spaß beiseite, Haare kann man ja färben. Verstehen Sie, wenn man
lange auf etwas wartet, das nicht ein-trifft, wird man sehr geduldig. Ich habe
gelernt den Moment zu genießen. Es gibt nur wenige Menschen, die wissen, was
ich weiß.“
    „Herr
Wegner, hassen Sie Ihre Entführer?“
    „Tja,
das ist nicht einfach zu beantworten. Hass ist ein ungewöhnlich zerstörendes
Gefühl. Wäre ich hasserfüllt und verbittert, würde ich mein Leben verschwenden
und bliebe bis zum Ende meiner Tage ein Gefangener. Meinen Sie nicht auch?“
    „Mister
Smiley, werden Sie Ihre Geiselhaft je vergessen können?“
    „Mit
Sicherheit kann man das nicht bepissen wie ein zerfetztes Hemd und so einfach
wieder auskotzen. Sie konnten unsere Körper vergewaltigen, uns die Knochen
brechen, uns mit dreckigem Öl vollkippen, unseren Geist konnten sie nicht
zerstören. Und sonst verbrachte ich viel Zeit mit Freddy. Er ist ein
großartiger Mensch. Er hat mich in vielen Diskussionen herausgefordert, mein
Bewusstsein wachgehalten und somit mein Leben gerettet.“
    „Wir
wünschen Ihnen gute Besserung und ein baldiges Wiedersehen mit Ihren lieben
Angehörigen. Wir danken für dieses Gespräch.“
    Es
folgten einige Blitzlichtaufnahmen im Krankenhaus: Steven im Bett, ich am
Fenster, Steven im Rollstuhl, ich auf einer Parkbank, Gruppenbild mit Oberarzt,
Händeschütteln mit den Reportern und so weiter und so fort.
    Am
übernächsten Tag schmückten wir die Titelseite der „Frankfurter Rundschau“.
Unverständlicherweise kaufte ich mir ein Exemplare davon. Die Polen gaben mir
das Geld dafür.
    Steven
machte Pläne, in denen auch ich vorkam. An Arbeit oder Sport war bei ihm nicht
mehr zu denken. Er war von heute auf morgen Frührentner geworden. Der britische
Staat hatte ihm eine Rente zu zahlen. Da er aber als Zivilist und nicht als
Armeeangehöriger in Kuwait verwundet wurde, fiel seine Rente nicht gerade
großzügig aus. Trotz allem blieb er ein unverbesserlicher Optimist und meinte:
„Was soll ich machen? Es muss ja weitergehen. Wenn nicht in Deutschland oder
England, dann eben in Afrika. Dort werden wir unser Glück machen. Das
verspreche ich dir, Freddy.“
    Steven
wollte sich seine spärliche Rente unbedingt nach Ghana überweisen

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