Das System
Präsenz, und ihre Schwingungen schienen in seinem Körper widerzuhallen, so
dass er vor Energie vibrierte.
Nein, da vibrierte noch was anderes. Sein Handy. Sein gottverdammtes elendes Scheißhandy!
Er versuchte, das nervende Vibrieren zu ignorieren und einfach weiterzuspielen, doch seine Finger verknoteten sich mitten
im Solo. Er war draußen.
Er hörte auf zu spielen. Die anderen sahen ihn ärgerlich an – es war doch gerade so gut. Einer nach dem anderen hielten sie
ihre Instrumente an wie einen Zug, der nur mühsam abgebremst werden konnte.
»Tut mir leid, Jungs!«, sagte Unger und fragte sich nicht zum ersten Mal, wieso sein Handy unterwegs dauernd Empfangsstörungen
hatte, die meterdicken Wände des Bunkers, in dem sie ihren Übungsraum hatten, aber keine Abschottung boten. Er fummelte es
aus der engen Tasche seiner Jeans. Eine SMS war eingegangen: »Mark Helius Erikastraße 12 20251 Hamburg«.
Er stutzte. Was sollte das? Wieso schickte ihm Dreek Helius’ Adresse? Aber Moment, der Absender war nicht das Handy seines
Kollegen, sondern eine unbekannte Nummer. Und wohnte Helius nicht in Poppenbüttel?
Er erinnerte sich, die Adresse Erikastraße 12 heute schon gehört zu haben. Dann fiel es ihm wieder ein: Die Andresen wohnte
da. Und er begriff: Helius war bei ihr, und sie hatte heimlich eine SMS geschickt, um ihn zu Hilfe zu holen.
|72| »Tut mir leid, Jungs, ich muss zum Einsatz.«
Die Bandmitglieder stöhnten. Ralf ließ seine Drumsticks auf die Snare knallen. »Mensch, Friedi, kannst du das verdammte Handy
nicht wenigstens einmal ausschalten, wenn wir üben? Samstag ist der Gig, und wir sind noch lange nicht so weit!«
»Kann ich nicht. Das weißt du genau.«
»Wissen Sie was, Herr Kommissar? Sie sind ein echter Vollidiot!«
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17.
Hamburg-Eppendorf,
Donnerstag 21:22 Uhr
Es klingelte an der Tür. Mary warf Mark einen Blick zu. Sie hatten etwa eine Stunde im Datennetz von D. I. nach Spuren gesucht,
aber nicht den geringsten Hinweis darauf gefunden, was Ludger gestern Abend gemacht hatte. Die Änderungsdaten der Dateien
in Ludgers persönlichem Verzeichnis lagen alle vor dem Zeitpunkt der Aufsichtsratspräsentation. Er hatte danach auch keine
E-Mails geschrieben. Es sah so aus, als hätte Ludger gar nicht mehr an seinem Rechner gearbeitet. Aber das war äußerst unwahrscheinlich;
er hatte ja an seinem Schreibtisch gesessen, als er erschlagen worden war. Der Mörder musste alle Spuren seiner Arbeit gelöscht
haben. Das setzte eine Menge Fachwissen voraus.
Es klingelte erneut. Mary ging zur Tür und drückte auf den Knopf der Gegensprechanlage. »Ja bitte?«
Mark wusste, dass es die Polizei war, noch bevor er die verzerrte Stimme des Kommissars aus dem kleinen Lautsprecher hörte.
Mary warf ihm einen fragenden Blick zu. Dann drückte sie auf den Türöffner. »Versteck dich irgendwo! Ich versuche, sie abzuwimmeln.«
Sie würden die Wohnung durchsuchen. Er hatte keine |73| Chance, wenn er hierblieb. Es ging um Sekunden. »Ich brauche deine Schlüssel. Schnell!« Mary gab sie ihm. Er griff sich seine
Jacke und öffnete leise die Tür. »Leg die Sicherheitskette vor«, flüsterte er ihr zu. Dann ging er, so schnell und leise er
konnte, die Treppe hinauf.
Die alten Stufen knarzten bei jedem Schritt. Zum Glück polterten die Polizisten zwei Stockwerke tiefer laut genug die Treppe
herauf. Er hatte es bis zum Absatz des nächsten Stockwerks geschafft, als sie Marys Wohnung erreichten. Er hörte, wie die
Tür ein Stück weit geöffnet wurde.
»Nanu, Hauptkommissar Unger? Was treibt Sie um diese Zeit hierher?« Die Überraschung in Marys Stimme klang sehr echt.
»Dürfen wir reinkommen?«
»Worum geht es denn?«
»Wir hätten da noch ein paar Fragen zum Mordfall Ludger Hamacher.«
»Und die müssen Sie jetzt stellen? Tut mir leid, aber das passt mir gar nicht. Ich komme gern morgen früh aufs Polizeirevier.«
Mark musste lächeln. Mary machte ihre Sache wirklich gut. Je mehr sie versuchte, die Polizisten daran zu hindern, in ihre
Wohnung zu kommen, desto überzeugter würden diese sein, dass er sich dort versteckt hielt. Das hielt sie davon ab, das Treppenhaus
zu durchsuchen, und verschaffte ihm etwas Zeit. Dummerweise konnte er sich nicht bewegen, solange die Polizisten vor ihrer
Tür standen.
»Aber … Sie haben doch …« Ungers Stimme klang verwirrt. Dann wurde sie plötzlich sehr energisch, als ärgere sich der Kommissar
über etwas.
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