Das Trumpf-As der Hölle
die Hände. Und dort hing mein Kreuz. Wenn ich es bekam und es vielleicht auf die Karte werfen konnte, dann… Nein, es klappte nicht. Ich hätte erst die Jacke aufknöpfen müssen, das nahm zuviel Zeit in Anspruch. Zudem besaßen meine Hände zwar einen Spielraum, aber einen nicht so großen, der nötig gewesen wäre, um an das Kreuz zu gelangen.
Man hatte mich zum Glück nicht durchsucht und auch nicht den Dolch gefunden, den ich ebenfalls neben der Beretta bei mir trug. Jetzt setzte ich meine Hoffnungen auf ihn.
Die gefesselten Arme fielen nach unten. Mit den Handgelenken schlug ich noch gegen die Tischkante und brachte meine beiden Hände auf die linke Seite, wo der Dolch im Gürtel steckte. Ich musste dabei meinen Körper verziehen und mich nach rechts drücken, um die Waffe zu erreichen.
Dann hatte ich ihn. Es war ein gutes Gefühl, als meine Finger den Dolch berührten und ihn aus der weichen Scheide zogen.
»Bald, Geisterjäger!« hörte ich die hallende Stimme des Hellsehers. »Bald ist es soweit. Da wird die Karte ihren rasenden Wirbel beendet haben und zur Ruhe kommen.« Er lachte schrill.
Seine Worte hörte ich wie im Unterbewusstsein, und doch hakten sie sich fest. Den Ansturm der Schwarzen Magie hatte ich zu spüren bekommen. Ob er abgewehrt war oder nicht, konnte ich nicht sagen, für mich war wichtig, die Magie des anderen zu zerstören. Wie hypnotisiert starrte ich auf die sich noch immer drehende Karte. Mein Atem ging schwer und keuchend, die Augen tränten, die Karte verschwamm, aber ich stellte fest, dass sie sich nicht mehr so schnell drehte wie zuvor.
Sie lief aus. Ich musste die Arme hochkriegen!
Mit beiden Händen umklammerte ich den Griff meines Silberdolchs. Nur durch ihn kam ich zu meinem Ziel, und als die Bewegungen der Karte langsamer wurden, befanden sich meine Hände etwa in Höhe der Tischkante.
Ich schaute auf ein Blutmeer.
Das jedenfalls war mein Eindruck, während ich den Tisch anstierte und die sich drehende Karte sah. Fast konnte man sie als torkelnd bezeichnen, so langsam war sie geworden, ich erkannte bereits, wann der Werwolf auf mich wies und wann der Vampir.
Wie viele Drehungen würde sie bis zum Ruhepunkt noch hinter sich lassen? Zwei, drei?
Da, jetzt zitterte sie nur noch! Der Werwolf zeigte auf mich, und ich hatte das Gefühl, dass es so bleiben würde, doch die Karte bekam noch einmal Schwung und bewegte sich um ihre eigene Achse. Das Bild des Vampirs kam mir immer näher, eine bleiche, schreckliche Fratze mit zurückgezogenen Lippen, tief in den Höhlen liegenden Augen und einer lappig wirkenden Haut über den Gesichtsknochen.
Der Vampir, ich würde…
Die Karte stoppte. »Jaaa…!« brüllte Arsenius. Da hob ich in einer gewaltigen Kraftanstrengung meine Arme und hackte mit dem geweihten Silberdolch zu. Und die Spitze meiner Waffe hieb genau in das widerliche Vampirgesicht.
Im nächsten Augenblick war alles anders!
***
Ein Werwolf und vier Vampire!
Diese Gegner waren für Tanith allein zuviel. Auf Sukos Hilfe konnte sie nicht rechnen. Der Chinese war zwar nicht bewusstlos geworden, doch er befand sich in einem Zustand, der mehr zur Bewusstlosigkeit tendierte als zum Wachsein.
Sie musste allein fertig werden.
Der Werwolf war am gefährlichsten, denn er stand ihr am nächsten. Eine grässliche Gestalt, über und über mit Fell bedeckt und einem widerlichen Gesicht. Es wirkte irgendwie flach, als hätte man irgendwann gegen seine lange Schnauze geschlagen und sie eingedrückt. In den gelblich schimmernden Augen sah Tanith die Mordlust. Sie glühte dort wie ein unheimliches Feuer.
In der Sekunde der großen Lebensgefahr wuchs die Hellseherin über sich selbst hinaus. Sie wunderte sich plötzlich, wie präzise und klar ihre Gedanken arbeiteten, und sie nahm ihre einzige Chance wahr, die ihr noch blieb.
Suko hielt seine mit Silberkugeln geladene Pistole fest, als hätte seine Hand einen Krampf bekommen. Und genau die Waffe benötigte Tanith, um sich wehren zu können.
Wie sie an die Beretta herankam, das wusste sie nicht einmal. Sie reagierte wie ein Automat, riss Suko die Pistole aus der Hand und umklammerte sie mit allen zehn Fingern. Dann brachte sie ihre Arme halbhoch, der Finger fand den Stecher, und in diesem Augenblick, als die Bestie in die Mündung starrte, stieß sie sich ab. Der Werwolf schien zu ahnen, dass ihm aus dieser Waffe der Tod entgegenfahren konnte, er wuchs gewaltig vor der Wahrsagerin auf, wurde zu einem reißenden Koloss, und
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