Das Ungeheuer von Florenz
will nicht, daß du ganz allein nach Hause kommst, auch wenn wir…«
Sie sprach den Satz nicht zu Ende, obwohl sie zweifellos »auch wenn wir zwei Carabinieri im Haus haben« hatte sagen wollen.
»Hast du gehört? Hörst du mir überhaupt zu?«
»Stefano wird mich heimbringen.«
»Gut, aber dann sag ihm, er soll dich nicht schon bei der Villa absetzen. So schlecht ist die Straße nicht. Das ist einer, denkt mehr an die Federung seines Autos als an dich, obwohl das nun in der Zeitung stand. Hab ich nicht recht?«
Letzteres war an den Maresciallo gerichtet, der schweigend neben der Tür stand und wünschte, Noferini würde sich im Badezimmer ein bißchen beeilen, damit sie endlich in die Bar kämen und frühstücken konnten.
»Es kann nie schaden, vorsichtig zu sein«, räumte er ein, ohne sich jedoch zu einer weiteren Bemerkung hinreißen zu lassen. Er wußte sehr genau, worauf sie anspielte, auf einen Artikel, in dem Liebespaare gewarnt wurden, daß jedesmal, wenn der Falsche verhaftet und beschuldigt worden war, das Monster zu sein, sofort das richtige Monster wieder zugeschlagen habe. Es war aber doch unwahrscheinlich, daß das diesmal wieder passierte, auch wenn sich erweisen sollte, daß sie erneut einen Fehler gemacht hatten. Der Mörder, sei es der Verdächtige oder sonstwer, war schon zu lange nicht mehr in Erscheinung getreten. Doch es lag dem Maresciallo fern, sich diesen Leuten gegenüber eine solche Bemerkung zu erlauben. Er wußte, daß trotz allem zusätzliche Streifen samstagnachts unterwegs waren, vor allem bei Neumond, und das, obwohl tiefer Winter war und alle Morde bei sommerlicher Witterung verübt worden waren. Simonetti wollte auf Nummer Sicher gehen. Als Noferini endlich erschien und sie das Haus verließen, las Marilena ihrer Tochter immer noch die Leviten, und ihre Stimme war noch auf dem Schotterweg zu hören, der an den Toren zur Villa auf die Landstraße einmündete, die in einer linken Kurve zum Dorf führte. Tagsüber behielt ein Mann von den Carabinieri des Dorfes den Verdächtigen im Auge, solange er auf dem Feld arbeitete. Man versuchte nicht, vor ihm geheimzuhalten, daß er beobachtet wurde. Sie wollten nur gewährleisten, daß er nichts aus dem Haus schaffte, bevor die Hausdurchsuchung stattgefunden hatte. Daß sein Telefon angezapft war, hatte er sicher bemerkt oder es zumindest, einigen seiner Telefongespräche nach zu schließen, erraten. Aber daß sie in seinem Haus eine Wanze installiert hatten, das war ihm höchstwahrscheinlich entgangen.
Da sie wußten, daß sämtliche Gerichtsreporter der Toskana vor der Bar in der Hauptstraße Quartier bezogen hatten, kehrten sie in ein kleineres Lokal in der Nähe der Straße nach Florenz ein.
»Zwei Espressi, eine Brioche, ein Toast, richtig? Oder war es ein Espresso, ein Milchkaffee? Ich krieg's nicht mehr zusammen.«
»Zwei Espressi.«
Der Milchkaffee, das war sicher Bacci, dachte der Maresciallo. Und Ferrini würde sich bestimmt eher einen Grappa in seinen Kaffee gießen als Milch.
»Wie läuft's denn?« erkundigte sich der Barbesitzer, während er zwei Tassen unter den Kaffeeautomaten stellte.
»Hat sich was Neues ergeben?«
Das fragte er immer, obwohl er nie eine Antwort erhielt.
»Wissen Sie, was ich immer sage?« redete er munter weiter – er nahm das Schweigen nie übel: »Mir tut nur das Mädchen leid.«
»Sie meinen seine Tochter?«
»Genau. Die ist inzwischen eine junge Frau, obwohl nicht ganz richtig im Kopf. Es heißt, man wird sie wegbringen müssen.«
»Wer sagt das?«
»Die Leute… Pater Damiani zum Beispiel. Ihm steht es bis hier oben. Ihr Espresso, bitte schön. Der Toast braucht noch einen Augenblick. Ich wollte sagen, ihre Wohnung, die ist direkt am Platz. Wegen der vielen Journalisten kann sie den Kopf nicht aus der Tür stecken. Klar, einige freuen sich auch über das Geld, das durch diese Sache reingekommen ist.«
»Ja«, erwiderte der Maresciallo, als er merkte, worauf der Mann hinauswollte. »Sie kriegen davon vermutlich nicht allzuviel ab, Ihr Lokal ist am weitesten von seinem Haus entfernt.«
»Ich muß nicht durch das Unglück anderer Leute reich werden. Bei mir waren sie ja auch, diese Journalisten, wissen Sie. Und der eine oder andere vom Fernsehen. Ich sage allen dasselbe. Lassen Sie das Mädchen da raus. Das ist nicht recht. Sie ist nicht verantwortlich für das, was ihr Vater getan oder nicht getan hat. Sie hat selber genug Sorgen. Außerdem, Profit hin oder her, von diesem Nest haben
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