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Das Versprechen

Das Versprechen

Titel: Das Versprechen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baldacci
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und Oz kuschelte sich an sie und schloss die Augen.
    »Warum tust du das?«, fragte Lou.
    »Wenn ich die Augen schließe, während du mir Moms Briefe vorliest, ist es so, als würde Mom neben mir sitzen und sprechen.«
    Lou betrachtete die Briefe, als wären sie aus Gold.
    »Oz, du bist genial!«
    »Was? Was hab ich denn gemacht?«
    »Du hast gerade unser Wunder entdeckt.«
    Dichte Wolken senkten sich über die Berge. Es sah nicht so aus, als würden sie bald weiterziehen. Im eisigen Regen gingen Lou, Oz und Jeb zu der Lichtung, wo sich der alte Brunnen befand. Als sie ihn erreichten, spürten sie die Kälte bis in die Knochen.
    Oz’ Bär und das Foto lagen noch immer dort, voll gesogen mit Regenwasser und schmuddelig. Oz blickte auf das Bild und lächelte seine Schwester an. Sie bückte sich, nahm den Bär und gab ihn Oz.
    »Nimm deinen Bär zurück«, sagte sie sanft. »Auch wenn du schon erwachsen bist.«
    Sie steckte das Foto in eine Tasche, aus der sie dann die Briefe nahm. »Okay, Diamond hat gesagt, wir müssten das Wertvollste opfern, das wir besitzen, damit der Brunnen unsere Wünsche erfüllt. Wir können nicht Mom nehmen, aber wir haben das Nächstbeste, die Briefe.«
    Lou legte das Bündel vorsichtig auf den Rand des Brunnens und beschwerte es mit einem großen Stein, damit der Wind es nicht davonwehen konnte.
    »Jetzt müssen wir uns etwas wünschen.«
    »Dass Mom zurücckommt?«
    Lou drehte langsam den Kopf. »Oz, wir müssen uns wünschen, dass Louisa ins Gerichtsgebäude kommt. Genau wie Cotton es gesagt hat. Nur so kann sie ihr Land behalten.«
    Oz schien überrascht. »Aber was ist mit Mom? Wir haben bestimmt nur einen Wunsch frei.«
    Lou umarmte ihn. »Nach allem, was Louisa für uns getan hat, müssen wir das jetzt für sie tun.«
    Schließlich nickte Oz zustimmend. »Sag du ’s.«
    Lou hielt Oz’ Hand, und sie schlossen die Augen. »Wir wünschen, dass Louisa Mae Cardinal aus ihrem Bett aufsteht und allen Leuten zeigt, dass es ihr gut geht.«
    Zusammen sagten sie: »Amen, Jesus.« Dann liefen sie davon, so schnell sie konnten, und hofften beide von ganzem Herzen, dass in diesem alten Gebilde aus Ziegeln und abgestandenem Wasser noch ein Wunsch übrig gewesen war.
    Die Hände tief in den Taschen vergraben, schlenderte Cotton spät in dieser Nacht durch die Straßen von Dickens. Er fühlte sich wie der einsamste Mann der Welt. Den unablässigen, eiskalten Regen nahm er kaum wahr. Er setzte sich auf eine überdachte Bank und betrachtete das Flackern einer Gaslaterne am Straßenrand. Das Namensschild am Lampenpfosten war deutlich zu lesen: »Southern Valley Coal & Gas«. Ein leerer Kohlenlaster kam die Straße herunter. Eine Fehlzündung knallte aus seinem Auspuffrohr, eine kleine Explosion, welche die Stille der Nacht gewaltsam zerriss.
    Cotton beobachtete, wie der Laster vorbeifuhr, und richtete den Blick dann wieder auf die flackernde Gaslaterne. Plötzlich kam ihm ein Gedanke. Er setzte sich auf, sah dem Kohlenlaster nach, blickte dann wieder zur Laterne. Der Gedanke verfestigte sich zu einer Idee. Und dann stand ein vom Regen durchnässter Cotton plötzlich auf und klatschte die Hände zusammen, und es hörte sich an wie das Krachen des Donners. Die Idee hatte sich zu einem Wunder ganz eigener Art entwickelt.
    Minuten später trat Cotton in Louisas Zimmer. Er stellte sich ans Bett und nahm die Hand der bewusstlosen Frau. »Ich schwöre dir, Louisa Mae Cardinal, du wirst dein Land nicht verlieren.«

 
KAPITEL 39
    Die Türen des Gerichtssaals schwangen auf, und ein zielstrebiger Cotton schritt herein. Das Dreigestirn Goode, Miller und Wheeler war bereits anwesend. Der Saal war zum Bersten gefüllt; die gesamte Bevölkerung vom Berg und aus der Stadt schien es geschafft zu haben, sich in den Saal zu pferchen. Eine halbe Million Dollar stand auf dem Spiel, und das hatte bei den Leuten lange vergessene Gefühle wachgerufen. Selbst ein Tattergreis, der von sich behauptete, der älteste überlebende Soldat des Bürgerkriegs zu sein, war erschienen, um sich die letzte Runde dieser Gerichtsschlacht anzusehen. Er humpelte auf einem alten Holzbein herein, sein rechter Arm war verstümmelt, und sein schneeweißer Bart reichte fast bis zu seinem Gürtel hinunter. Er trug die ruhmreichen Farben der konföderierten Armee. Die Leute in der vordersten Reihe machten ihm respektvoll Platz.
    Auch wenn die Berge den Regen offenbar satt hatten, die Wolken aufgerissen waren und weiterzogen, war es draußen noch

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