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Das verstummen der Kraehe

Das verstummen der Kraehe

Titel: Das verstummen der Kraehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kornbichler
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euch das Geld egal!« Sie schlug mit der flachen Hand auf den Tisch und brachte die Gläser zum Klirren. »Vielleicht braucht ihr es nicht so nötig wie ich, schließlich seid ihr ja alle Doppelverdiener, und wenn das Erbe verteilt ist, sogar doppelte Erben, aber ich …«
    In diesem Moment ließ Tilman Velte neben mir ein lautes »Ommmmm« in den Raum tönen. Spöttisch hielt er den Blickkontakt mit der alles andere als entspannt wirkenden Yogalehrerin. »Keinem von uns ist so viel Geld gleichgültig, Nadja, glaube mir. Und jeder Einzelne von uns hat großes Interesse daran, dass dieses Testament so schnell wie möglich vollstreckt wird. Deshalb steige jetzt bitte zurück zu uns ins Boot, wo du hingehörst. Sonst hätte Theresa am Ende doch noch erreicht, was sie wollte.«
    »Was wollte sie Ihrer Meinung nach denn, Herr Velte?«, fragte ich, während ich meinen Stuhl so drehte, dass ich ihn direkt ansehen konnte.
    »Ich glaube, sie wollte ein Leben, wie es sich jeder von uns wünscht. Ihres ist von ihrem Mann zerstört worden. Aber sie hat ihn so sehr geliebt, dass sie blind war. Sie konnte oder wollte die Wahrheit nicht sehen. Was ich ihr nicht verüble. Deshalb hat sie sich Nebenkriegsschauplätze geschaffen, an denen sie ihre Wut auf die Ungerechtigkeit des Schicksals abarbeiten konnte. Es …« Sekundenlang sah er aus dem Fenster und schien nach einer Formulierung zu suchen.
    »Ich möchte hier kurz einhaken und auf meine Frage zurückkommen, Herr Velte: Was wollte Theresa Lenhardt Ihrer Meinung nach mit dem Testament erreichen?«
    »Zwietracht!«
    »Sie alle waren ihre Freunde, sie hat Ihnen unter bestimmten Voraussetzungen ihr Vermögen vererbt. Meinen Sie nicht, dass …?«
    »Aber sie hat diese Freundschaft sehr strapaziert«, fiel er mir ins Wort, »bis das Band irgendwann gerissen ist.« Er nestelte an den Manschetten seines weißen Hemdes. »Es ist nicht schön, Frau Mahlo, zur Zielscheibe zu werden, das können Sie mir glauben. Jeder von uns hat in dieser Hinsicht einiges aushalten müssen. Lange Zeit haben wir ihr alles verziehen, haben versucht, Verständnis zu zeigen. Aber als sie schließlich diesen Detektiv auf uns angesetzt hat, war es vorbei. Irgendwann ist für jeden die Grenze des Erträglichen erreicht. Dann gilt es, eine Entscheidung zu treffen, und das haben wir getan. Wir haben uns von ihr zurückgezogen. Ich bin nicht stolz darauf, aber letztlich blieb uns keine Wahl.«
    »Haben Sie jemals an der Schuld Ihres Freunde Fritz Lenhardt gezweifelt?« Ich ließ ihn nicht aus den Augen.
    »Mein Gott, Zweifel«, sagte er und fuhr sich mit einer Hand durchs Haar. »Das trifft es nicht. Als Fritz verhaftet wurde, war ich mir hundertprozentig sicher, dass er unschuldig war. Sie müssen sich nur einmal vorstellen, Ihre beste Freundin würde beschuldigt, eine andere Freundin umgebracht zu haben. Das ist so außerhalb jeder Vorstellungskraft, dass Sie erst einmal reflexartig Nein sagen. Kann nicht sein. Unmöglich. Doch nicht sie. Nicht Ihre Freundin, die Sie so gut kennen. Für die Sie jederzeit die Hand ins Feuer legen würden. Und dann ist es ihr Messer, sind es ihre Fingerabdrücke und ist es ihr Haar …«
    Seine Frau nahm Tilman Veltes Hand und drückte sie. Er sah sie an, und einen Moment lang schienen die beiden sich stumm zu verständigen. Er trank einen Schluck Wasser, bevor er fortfuhr.
    »Ich glaube, es gibt keinen gedanklichen Ausflug, den ich nicht unternommen habe, um meinen Freund als Mörder auszuschließen. Und irgendwann ist mir bewusst geworden, wie wenig Raum eigentlich Konstantin in alldem einnahm. Ich meine, es gab ja nicht nur Fritz, sondern auch noch die Kehrseite der Medaille. Immerhin war einer unserer besten Freunde einem entsetzlichen Verbrechen zum Opfer gefallen. Und auch damit mussten wir erst einmal fertigwerden.«
    »Prima, dass zur Abwechslung auch mal einer an Konstantin denkt«, warf Nadja Lischka mit einem sarkastischen Unterton in die Runde.
    »Du weißt, wie es gemeint ist, Nadja.«
    »Ja?« Sie sah Tilman Velte an, als würde sie ihn zu einem Kampf herausfordern. »Ich weiß nur, dass damals plötzlich alle meinten, schmutzige Wäsche waschen zu müssen. Allen voran …«
    »Schluss jetzt«, fuhr Christoph Angermeier dazwischen. Seine tiefe, raue Stimme füllte den Raum. »Ich darf dich daran erinnern, wo wir sind, Nadja!«
    »Ich weiß, wo wir sind, mein Lieber. Bei der Frau, die es in der Hand hat, ob wir demnächst im Geld schwimmen oder nicht. Ist es nicht so,

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