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Das Werk - 14

Das Werk - 14

Titel: Das Werk - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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tief bekümmert, denn das war eine schwierige Geschichte, so eine stehende Figur. Eiserne Gerüste, die viel kosteten, und ein Modelliersockel mußten angeschafft werden, und dann noch das ganze Zubehör. Deshalb würde er sich zweifellos entschließen, seine Figur an das Ufer des Wassers zu legen.
    »Na? Was sagst du dazu? – Wie findest du das?«
    »Nicht schlecht«, antwortete der Maler. »Ein bißchen romantisch, trotz ihrer Fleischerinnenschenkel; aber das läßt sich erst beurteilen, wenn alles ausgeführt ist … Und stehend, Alter, stehend, sonst ist alles im Eimer!«
    Der Ofen bullerte, und stumm erhob sich Chaîne. Er strich eine Weile umher, ging in die stockfinstere Ladenstube, wo das Bett stand, das er mit Mahoudeau teilte; dann kam er, den Hut auf dem Kopf, immer noch schweigend, mit einem absichtlichen, niederdrückenden Schweigen, wieder zum Vorschein. Ohne Eile nahm er ein Stück Kohle in seine plumpen Bauernfinger und schrieb an die Wand: »Ich gehe Tabak kaufen, lege Kohle nach im Ofen.« Und er ging hinaus.
    Verdutzt hatte Claude ihm dabei zugesehen. Jetzt drehte er sich zu Mahoudeau um.
    »Was soll denn das heißen?«
    »Wir reden nicht mehr miteinander, wir schreiben uns«, sagte der Bildhauer seelenruhig.
    »Seit wann?«
    »Seit drei Monaten.«
    »Und ihr schlaft im selben Bett?«
    »Ja.«
    Claude brach in lautes Lachen aus. Na so was, da mußte man schöne Dickschädel haben! Und weswegen denn dieses Zerwürfnis?
    Aber ärgerlich legte Mahoudeau los gegen dieses Rindvieh, den Chaîne. Hatte er ihn nicht eines Abends, als er unverhofft nach Hause kam, mit Mathilde, der Kräuterkrämerin von nebenan, überrascht, beide waren nur im Hemd und aßen einen Topf Eingemachtes! Es war nicht weiter schlimm, sie da ohne Unterrock anzutreffen: das war ihm Wurscht! Aber der Topf Eingemachtes, das war zuviel. Nein, niemals würde er verzeihen, daß man sich dreckigerweise heimlich an Süßigkeiten gütlich tat, wenn er trocken Brot aß! Zum Teufel, man machte es wie mit der Frau, man teilte eben!
    Und seit fast drei Monaten dauerte diese Feindschaft nun schon an, ohne eine Entspannung, ohne eine Aussprache. Das Leben hatte sich wieder geregelt, ihre unbedingt notwendigen Mitteilungen beschränkten sie auf mit Kohlestift an die Wände geschriebene kurze Sätze. Übrigens hatten sie auch weiterhin nur eine Frau, wie sie auch nur ein Bett hatten, nachdem sie sich stillschweigend über die Stunden geeinigt hatten, zu denen jeder Bett oder Frau benutzte, wobei dann der eine fortging, wenn der andere an der Reihe war. Mein Gott, man brauchte im Leben nicht so viel zu reden, man verstand sich auch so.
    Mahoudeau, der den Ofen nachlegte, redete sich unterdessen alles vom Herzen, was sich dort angesammelt hatte.
    »Na, du kannst mir’s glauben oder nicht, aber wenn man vor Hunger fast verreckt, ist es nicht so unangenehm, niemals ein Wort miteinander zu reden. Bei diesem ewigen Schweigen verblödet man zwar, aber es ist wie ein schleimiger Kloß, der ein bißchen das Magenknurren beruhigt … Ach, dieser Chaîne, du machst dir keine Vorstellung, was für ein Bauer er im Grunde ist! Als er seinen letzten Sou verfressen hatte, ohne daß es ihm gelungen war, mit der Malerei das erwartete Vermögen zu verdienen, hat er sich auf den Handel geworfen, einen kleinen Handel, der ihm ermöglichen sollte, seine Studien zu Ende zu führen. Na? Ein sehr tüchtiger Kerl! Und du sollst sehen, wie er sich das ausgedacht hatte: er ließ sich aus Saint Firmin, seinem Heimatdorf, Olivenöl schicken, dann klapperte er die Straßen ab, er brachte sein Öl bei den reichen Familien aus der Provence an, die in Paris was darstellen. Leider ging das nicht lange, er ist zu flegelhaft, er hat es geschafft, daß man ihn überall vor die Tür setzte … Also, Alter, da ein Krug Öl, das niemand haben will, übriggeblieben ist, leben wie eben davon. Ja, wenn wir Brot haben, tunken wir unser Brot hinein.« Und er zeigte Claude den Krug, der in einer Ecke des Ladens stand.
    Das Öl war ausgelaufen, die Wand und der Fußboden waren schwarz von großen fettigen Flecken.
    Claude verging das Lachen. Ach, dieses Elend, was für eine Mutlosigkeit! Wie konnte man es denen verargen, die davon zermalmt werden? Er ging im Atelier auf und ab, war nicht mehr böse wegen der Entwurfsmodelle, die durch die Zugeständnisse an Kraft verloren, war selbst der gräßlichen Büste gegenüber nachsichtig. Und so stieß er auf eine Kopie, die Chaîne im Louvre

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