Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Werk - 14

Das Werk - 14

Titel: Das Werk - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
Vom Netzwerk:
und dann wieder aufwecken ließ; andere, noch andere, die Strichmädchen aus Tanzkneipen, die wohlanständigen Damen, die auf Abenteuer aus waren; die kleinen Wäscherinnen, die ihm die Wäsche brachten; die Aufwartefrauen, die seine Matratzen umdrehten; alle, die gerne wollten, die ganze Straße mit ihren Zufallsbegegnungen, ihren Glücksfällen, was sich anbietet und was man stiehlt; und wie sich’s gerade traf, die Hübschen, die Häßlichen, die Jungen, die Alten, ohne jede Wahl, einzig zur Befriedigung seiner starken Mannesbegierden, wobei die Qualität der Quantität geopfert wurde. Jede Nacht, wenn er allein heimkam, hetzte ihn das Grauen vor seinem kalten Bett auf Jagd, und er klapperte dann die Bürgersteige bis zu den Stunden ab, in denen Morde geschehen, und legte sich erst dann schlafen, wenn er eine vor die Flinte bekommen hatte, und war dabei übrigens so kurzsichtig, daß ihm Mißgriffe unterliefen: so erzählte er, daß er eines Morgens beim Erwachen den weißen Kopf eines elenden Weibes von sechzig Jahren, das er in seiner Eile für blond gehalten, auf seinem Kopfkissen vorgefunden hatte.
    Übrigens hatte er seine helle Freude am Leben, seine Geschäfte gingen. Der Geizhals, sein Vater, hatte ihm wohl die Überweisungen erneut gestrichen und ihn verflucht, weil er starrköpfig darauf bestand, einen Lebensweg voller Ärgernis einzuschlagen; aber Jory machte sich nun darüber lustig, er verdiente sieben oder achttausend Francs bei der Presse, wo er es als Lokalberichterstatter und als Kunstkritiker allmählich zu etwas brachte. Die Tage voller Krakeel am »Tambour«, die Artikel für zwanzig Francs lagen weit zurück; er wurde ein ordentlicher Mensch, arbeitete an zwei sehr viel gelesenen Zeitungen mit; und obwohl er im Grunde der skeptische Genießer, der Bewunderer des Erfolges trotz allem blieb, gewann er bürgerliches Ansehen, und seine Meinung bekam Geltung. Seine ererbte Knauserigkeit ließ ihm keine Ruhe, und jeden Monat steckte er bereits Geld in winzige Spekulationen, die ihm allein bekannt waren, denn niemals hatten ihn seine Laster weniger gekostet; er spendierte, wenn er morgens einmal ganz großzügig war, den Frauen, mit denen er sehr zufrieden gewesen, höchstens eine Tasse Schokolade.
    Sie kamen in der Rue de Moscou an.
    Claude fragte:
    »Du hältst also diese kleine Bécot aus?«
    »Ich!« rief Jory empört. »Aber, mein Alter, sie zahlt zwanzigtausend Francs Miete, sie spricht davon, sich eine Villa bauen zu lassen, die fünfhunderttausend kosten wird … Nein, nein, ich bin mitunter zum Frühstück und zum Mittagessen bei ihr, das ist auch genug.«
    »Und zum Schlafen?«
    Jory fing an zu lachen, ohne direkt zu antworten.
    »Dummkopf! Schlafen kann man immer … Los, wir sind da, komm schnell rein.«
    Aber Claude sträubte sich noch immer. Seine Frau warte auf ihn mit dem Mittagessen, er könne nicht. Und Jory mußte klingeln, ihn dann in die Diele schieben und immer wieder sagen, daß das keine Entschuldigung sei, daß man den Kammerdiener in die Rue de Douai schicken würde, damit der dort Bescheid sage.
    Eine Tür ging auf, sie standen vor Irma Bécot, die laut aufschrie, als sie den Maler erblickte.
    »Was? Sie sind’s, Sie menschenscheuer Kerl!«
    Sie sorgte dafür, daß er sich sofort behaglich fühlte, indem sie ihn wie einen alten Kumpel begrüßte, und er merkte tatsächlich, daß sein alter Überzieher ihr nicht einmal auffiel. Er wunderte sich, denn er erkannte sie kaum wieder. In den vier Jahren war sie eine andere geworden; ihr Kopf war mit der Kunst einer Schmierenkomödiantin zurechtgemacht, die Stirn wirkte durch die Frisur schmaler, das Gesicht war dank einer Willensanstrengung zweifellos länglicher geworden; mit dem feuerroten Haar, das blasse Blondinen oft haben, schien aus dem kleinen Balg von einst eine Kurtisane von Tizian73 erstanden zu sein. In den Stunden, da sie sich gehenließ, sagte sie mitunter: das sei ihr Kopf für die Einfaltspinsel. Das vornehme Haus, in dem nicht viel Platz war, wies bei allem Luxus noch leere Ecken auf. Verblüfft war der Maler über ein paar an den Wänden hängende Bilder, einen Courbet, eine Skizze von Delacroix vor allem. Sie war also doch nicht dumm, diese Dirne, trotz einer Katze aus bemaltem Ton, die abscheulich aussah und sich auf einer Konsole im Salon breitmachte.
    Als Jory davon sprach, den Kammerdiener zu seinem Freund nach Hause zu schicken, damit er dort Bescheid sage, rief sie voller Überraschung aus:
    »Was? Sie

Weitere Kostenlose Bücher