Das Wing 4 Syndrom
kennen. Aber ich kann einfach nicht glauben, daß es die Wirkung hat, die er behauptet.“
„Ein ekelhafter, kleiner Lügner!“ Sein Vater sprach, als bereitete das Reden ihm Schmerzen, und seine Stimme klang heiser und still. „Und doch macht mir das, was er über die Humanoiden sagt, Angst!“ Er wandte sich Cyra zu, und Keth sah die Narbe deutlich und weiß auf seiner von den Strahlen verbrannten Wange hervortreten. „Du hast ihn gehört, Cy.“
„Ja, ich habe ihn gehört.“ Sie drehte sich zu Keth herum und nickte ernst. „Er sagt, die Droge könnte ihn nach Kyronia tragen – wie, das kann er nicht erklären, will es vielleicht auch nicht. Aber er sagt, er könne die Humanoiden dort sehen. Millionen sind es jetzt. Milliarden vielleicht. Und alle arbeiten. Ohne Unterlaß, Tag und Nacht. Und sie breiten jene rosa leuchtende Stadt über den ganzen Planeten aus.“
„Sie bauen einen Stützpunkt“, knirschte sein Vater. „Einen Stützpunkt gegen uns.“
„Und drei ungeheuer große Transportschiffe“, sagte sie. „Ein dutzendmal so groß wie das, was sie dorthin gebracht hat. Ein jedes davon wächst in einem wahren Nest von Fabriken in die Höhe, wo die Teile hergestellt werden – und weitere Humanoiden. Wenn sie fertig sind, sagt Brong, wollen sie uns schlucken.“
„Wie bald?“ flüsterte er.
„Das weiß Brong nicht.“ Sie zuckte die Schultern. „Die Humanoiden sterben nie. Er sagt, sie hätten ihren eigenen, ganz besonderen Zeitsinn. Aber er sagt auch, die Schiffe sähen so aus, als wären sie fast fertig.“
„Deshalb sind wir nach Kai gekommen“, sagte sein Vater. „Die Zeit wird jetzt knapp. In der Zone kommen wir nicht weiter. Ich weiß, daß die meisten Leute Brongs Warnung nicht glauben werden. Aber ich möchte Vorn und ein paar andere sprechen, die früher den Schutztrupp unterstützt haben. Ich glaube auch nicht, daß viel dabei herauskommt, aber wir können nicht einfach aufgeben.“
Sie wollten nach Northdyke Weiterreisen, wo die Brücke tagte. Später, wenn sie in die Zone zurückkehrten, würden sie ihn in Greenpeak besuchen.
„Ich möchte mir Mansfields letzte Bänder noch einmal anhören“, sagte Cyra. „Oder was er sonst an Aufzeichnungen gemacht hat. Wenn sie noch existieren, dann könnte es sein, daß sie irgendwo in dem alten Mansfort vergraben sind. Als ich vor Jahren um die Erlaubnis bat, dort suchen zu dürfen, waren die unteren Etagen abgesperrt. Gefährlich …“
„Das … das sind sie immer noch.“
Keth sagte das ganz impulsiv, atemlos und von einer Erregung erfüllt, die halb Erwartung war. Jener wertvolle Gegenstand in seinem Schreibtisch – konnte es sein, daß die Kraft, die ihn hob, Rhodomagnetismus war? Seine geheimnisvollen Schöpfer – könnte es sein, daß sie die Rhodowissenschaft gekannt hatten? Es war immer noch ein Schatz, der ihm ganz persönlich gehörte und den er geheimhielt, aber plötzlich wurde ihm klar, daß er dieses Geheimnis mit seinem Vater und Cyra teilen mußte.
„Ich habe euch etwas zu zeigen“, flüsterte er. „Es stammt aus jenen toten Etagen. Ein Ding, das ich nie verstanden habe.“
„Wir kommen nach Greenpeak.“ Seines Vaters Gesicht wirkte unter seiner Narbe gefaßt und wie tot. „Aber wir reisen noch heute Abend nach Northdyke ab. Wenn wir keine neuen Freunde finden können – und bessere als Bosun Brong – sind wir erledigt.“
Sie fuhren nach Northdyke weiter. Keth stellte in seinem Zimmer in Greenpeak den Leleyobecher auf seinen Schreibtisch. Lange saß er davor, träumte von dem geheimnisvollen Reiz, der von Malili ausging, und fragte sich, weshalb Bosun Brong sich eigentlich für ihn interessierte. Zuletzt beugte er sich vor, um die Schublade herauszuziehen und wieder einmal die Schwebekraft jener weißen Metallkugel zu prüfen. Ob es nun ein Drachenei war oder sonst etwas, ihm war es jedenfalls noch mehr wert als der Becher. Als Cyra am Ende des Schuljahres anrief, um zu sagen, sie wurden vorbeikommen, um ihn zu besuchen, war er fast traurig.
Sie wirkten niedergeschlagen, als er sie an der Rohrbahnstation abholte. Ihre Geschichte, daß Brong die Humanoiden auf Kyronia sehen konnte, hatte niemanden überzeugt. Die meisten ihrer alten Freunde waren nicht einmal bereit, sie zu empfangen. Admiral Vorn hatte ihnen um der alten Zeit willen einen Drink angeboten, aber er ließ nicht zu, daß sie über seinen verschollenen Bruder oder die Welten des Drachen redeten.
„Ein sturer alter Mutochse“,
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