Das Wunder von Grauenfels (German Edition)
Andacht zu halten. Insofern konnte der Magier seinen Hochsitz ungesehen verlassen.
»Wie bist du denn runtergekommen?«, fragte Gina besorgt.
»Geklettert. Gehört zu meinen leichtesten Übungen – da war ich sogar bei der Bundeswehr immer der Beste. – Ja, auch Magier verschlägt’s dahin. Kam aber nicht sonderlich an. Ich weiß noch, wie unser Spieß fluchte, als ich einmal sein Gewehr verschwinden ließ. Mitten in der Übung mit Feindberührung … Wie kam’s denn nun an? Gut?«
»Hören Sie selbst«, meinte Berit.
Merlot, BeGin und Igor Barhaupt mischten sich unauffällig unter die Pilger, die sich jetzt so weit beruhigt hatten, dass sie es schafften, Erfahrungen auszutauschen.
Eine rundliche Dame, eben noch ziemlich außer Atem nach dem Anstieg, jetzt jedoch beschwingt von ihrem Erlebnis, redete aufgeregt auf ihre magere Freundin ein. Die hatte sich eben wortreich beklagt, dass sie die Jungfrau mangels Brille nur schemenhaft wahrgenommen hätte. »Sie war wunderschön – dieses Lächeln, ich werde nie dieses Lächeln vergessen! Und ich schwöre dir – ich bin ganz sicher –, sie sah ein bisschen aus wie Prinzessin Diana!«
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Frauenfragen
U nd was macht mein Lieblingsort in den neuen Bundesländern?«, fragte Ruben vergnügt. Er war eben nach acht Wochen Borunji nach Hamburg zurückgekehrt und hatte Erzählstoff für Tage. Während seines Aufenthalts hatte die Regierung der Bananenrepublik dreimal gewechselt, wobei der erste Putsch ziemlich gefährlich verlaufen war, da der neue Präsident ernsthafte Überlegungen dazu anstellte, seinen Vorgänger zu essen. Dank eines weiteren Aufstandes konnte diese seltsame Form der Traditionspflege gerade noch verhindert werden. Der dritte Putsch brachte dann Rubens Freund wieder in Amt und Würden und alle anderen Häuptlinge ins Exil – was die natürlich als Schwäche werteten. Gleich begannen sie damit, neue Krieger um sich zu scharen. Bevor es infolgedessen erneut knallte, hatte Ruben sich gleich nach der zweiten Amtsübernahme seines Interviewpartners verzogen. Sicherheitshalber tippte er seinen Bericht schon im Flugzeug in den Laptop und brachte ihn umgehend in die Redaktion.
»Man muss das ganz klar sehen, der Typ kann morgen auf dem Grill enden«, erklärte Ruben seinem Chefredakteur und schloss seinen Laptop an einen redaktionseigenen Drucker an. »Vorher sollte das Interview raus. Posthum – oder sollte man sagen post verdaut ? – ist es nicht mehr aktuell.«
Herbert Klein sah das genauso und ließ den Text gleich in den Satz gehen. Schließlich warf sich Ruben geschafft in den einzigen, richtigen Sessel der Redaktion und fragte nach Grauenfels.
»Dieses Kaff mit der Marienerscheinung?« Klein grinste. »Da geht’s hoch her. Ich hab das Material für dich gesammelt, ich dachte, du wolltest gern selbst noch mal hin. Erwähntest du nicht was von einer gewissen attraktiven Medienreferentin? Ansonsten hätte ich Hans geschickt. Bringen sollten wir auf jeden Fall was. Die sind da nämlich drauf und dran, Lourdes und Fátima den Rang abzulaufen.«
Ruben zog eine Augenbraue hoch. »Hat der Bischof Grauenfels denn als Wallfahrtsort abgesegnet?«, fragte er verwundert. »Das hatte ich bezweifelt!«
Klein schüttelte den Kopf. »Hat er auch nicht. Im Gegenteil, der Hirtenbrief war hart am Rande der Höflichkeit. Tja – und seitdem zickt die Dame. Ich kann’s ihr nebenbei nicht verdenken. Was bildet sich so ein Kirchenfürst ein, der Madonna Vorschriften zu machen?«
Klein durchwühlte zunehmend nervös seinen unordentlichen Schreibtisch nach den Unterlagen über Grauenfels.
Ruben brauchte ein paar Sekunden, um die ersten Informationen in seinen Jetlag-geplagten Kopf sacken zu lassen.
»Was soll das heißen, ›seitdem zickt die Dame‹?«, erkundigte er sich schließlich. »Von wem redest du eigentlich?«
»Na ja, von ihr. Der Madonna, der Erscheinung, oder wie du sie nennen willst.« Klein durchsuchte zwei weitere Schubladen. »Als Erstes hat sie mal alle Zweifel bezüglich ihrer Existenz ausgeräumt, indem sie gleich achtzig Leuten auf einmal erschienen ist. Frag mich nicht, was das war, ob Massenpsychose oder ein gigantischer Bluff. Aber die Pilger schwören darauf. Ausgesehen hat sie angeblich wie eine Mischung zwischen Shari Belafonte und Lady Di. Insofern kein Wunder, dass der Erzengel damals auf sie abgefahren ist …«
»Komm, Herbert, das ist doch jetzt ein Witz, oder?« Ruben gab die Idee auf, sich im Anschluss an Borunji erst mal
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