Deiner Seele Grab: Kommissar Dühnforts sechster Fall (Ein Kommissar-Dühnfort-Krimi) (German Edition)
Blick hatte nur einen Augenblick standgehalten, bis er weggewitscht war wie ein Stück Seife.
Abwartend sah Gina ihn an. Ihre Stirn warf Falten. Etliche Sommersprossen verschwanden darin.
»Als Gerstner mir vorhin über den Weg gelaufen ist, hätte ich ihm am liebsten eins in die Fresse geschlagen.«
»Echt?« Sie klang ehrlich überrascht.
»Eine blöde Bemerkung von ihm und es wäre passiert.«
In Ginas dunklen Augen erschien ein besorgter Funke. »Du fühlst dich ohnmächtig, und Ohnmacht erzeugt Aggression. Es ist Zeit, dass du Zeugen oder Beweise an Bord bekommst, die dich entlasten.«
»Das ist Potthoffs Aufgabe.« Auf ihn und die Kollegen des KFD 11 war Dühnfort wahrlich nicht gut zu sprechen. Sie folgten nicht dem Grundsatz jeder Ermittlung: der Unschuldsvermutung. Potthoff schien sich vom ersten Tag an auf ihn eingeschossen zu haben. Von wegen objektiv! Diese Geschichte lief in die falsche Richtung. Von Anfang an. Falls sich das nicht änderte, würde er am Ende wegen Körperverletzung im Amt verurteilt und seinen Job los sein. Herrgott! Wegen einer verdammten Intrige.
»Potthoff hat dich von vornherein auf seine Abschussliste gesetzt. Er wird sich für dich nicht den Arsch aufreißen und nach Entlastendem wühlen. Das musst du selbst tun. Der lehnt sich gemütlich in seinem bandscheibenschonenden Bürostuhl zurück und heftet ab, was ihm von allein auf den Tisch flattert. Nimm dir endlich einen Anwalt. Soll der sich um den Herausgabebeschluss für Gerstners Handydaten kümmern.«
Einen Anwalt zu engagieren, wäre sicher das Vernünftigste. Er wusste selbst nicht, was ihn daran hinderte. Alleine bei dem Gedanken sträubte sich alles in ihm. Vielleicht die irrige Annahme, dass nur Schuldige einen Anwalt benötigten. Es war geradezu lächerlich, wie er sich benahm. Warum fühlte er sich wie gelähmt, hilflos und ausgeliefert? Er sollte wirklich langsam in die Gänge kommen.
Die Bedienung räumte die leeren Teller ab und fragte, ob es noch etwas sein dürfte. Er bestellte für Gina einen Cappuccino und für sich einen Espresso. Der einzige Lichtblick war der Mordfall Ruge. Er war so gut wie abgeschlossen. Kirsten hatte das gut gemacht. Und auch Alois, dem es tatsächlich gelungen war, den Taxifahrer aufzutreiben, der die Behringer in der Mordnacht in der Nähe des Tatorts aufgegabelt und nach Hause gefahren hatte. Die Indizienkette war lückenlos. Nur ihr Geständnis fehlte noch. Doch das würden sie nicht bekommen. Es setzte voraus, dass sie sich ihrer Tat stellte. Viele schafften das nicht. Sie leugneten, was nicht zu leugnen war, vor sich selbst, um kein Mörder zu sein, kein Monster, um noch irgendwie in den Spiegel blicken zu können.
Gina hatte recht. Er brauchte einen Anwalt und würde sich endlich einen nehmen. Sie schlürfte den Rest Cappuccino aus der Tasse. An ihrer Lippe haftete Milchschaum, den sie mit der Zunge wegwischte. Plötzlich erschien ein widerwilliges Lächeln. Es stieg unwillkürlich auf, obwohl er sah, dass sie es zu unterdrücken versuchte, und mündete in ein Grinsen. Offenbar hatte sie mal wieder eine ihrer Ideen.
»Was?«, fragte er.
»Nichts.«
»Habe ich einen Krümel an der Nase?« Er fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. »Oder eine Nudel wie Loriot?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Was dann?«
»Ich hatte nur eine Idee.« Mit dem Löffel kratzte sie den letzten Rest Milchschaum aus der Tasse und setzte ihr Unschuldsgesicht auf.
»Darf ich mehr dazu erfahren?«
»Nö. Sie würde dir nicht gefallen. Das heißt: Sie würde dir schon gefallen. Aber du würdest sie nicht gutheißen. Also ist es besser, wenn du sie nicht kennst.«
»Du sprichst in Rätseln.«
»Außerdem ist sie noch nicht ausgereift. Ich muss noch daran feilen. Bei passender Gelegenheit werde ich das Geheimnis lüften. Okay?«
»Gerstner. Oder? Du willst ihn doch nicht irgendwie linken?«
Gina stützte das Kinn in die Hand und sah ihn mit großen Augen an. Ich? Jemanden linken? Wie kommst du denn auf die Idee? Das Smartphone in seiner Jackentasche begann zu vibrieren. Einen Augenblick wartete er noch auf eine Antwort. Sie kam nicht. Er zog das Handy hervor. »Mach keinen Quatsch, ja?«, sagte er, bevor er das Gespräch annahm.
Heigl höchstpersönlich meldete sich. »Hallo Tino. Es gibt Arbeit für dich.« Es klang, als verkünde er eine frohe Botschaft. »Eine Tote in Schwabing. Scheint ein etwas seltsamer Anblick zu sein. Na, du wirst schon sehen.« Heigl nannte ihm die Adresse. »Buchholz
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