Der Augenblick der Liebe
schon zweimal genau beschreiben ließ. Daß sie die einzige in der Abteilung ist, die so gut wie nie Hosen trägt, gesteht sie. Gestern abend Women¹s Study Group. Dreißig Frauen. Sie die einzige nicht in Hosen. Findet alle drei Wochen statt. Feministische Filmtheorie. Bei Einstellungsinterviews wird nach Filmkursen gefragt. Unter Frauen, unter diesen Frauen, ist sie weniger selfconscious als in der Gesellschaft von Männern. Selfconscious übersetzt sie sich so: sich selbst peinlich sein. Sie hat Männern gestattet zu sagen oder sie gar eingeladen zu sagen, ihre Hüften könnten schmaler sein, ihre Brüste bescheidener. Dann hat sie sich mit den Augen dieser Männer angeschaut. Daß er immer wieder ihre Brüste erwähnt, sich nach ihren Brüsten erkundigt, als wären das Lebewesen, mit diesen Brüsten alles mögliche anstellen will, ist für sie Zauber pur.
Sie hat Dr. Douglas den neuesten Traum hingeplaudert, hingerotzt, gekotzt, zumindest hingetrotzt. Es hat ihr gut getan, ihm mit diesem Traum seine Grenzen zu zeigen. So wird sie nie von ihm träumen. So träumt sie nur von Gottlieb W., Herr Doktor. Nämlich: Wieder im Kinderzimmer, Schwester Bettina spielt Karten mit ihrem Mann, dem ost westfälischen Samenhändler, inzwischen umgeschult auf Programmierer. Beide sitzen an einem kleinen Fenster. Der Schwager fragt, ob sie nicht mitspielen wolle. Ihr Gottlieb W. lag schon oben, auf dem oberen Bett eines bunk bed, ihr fällt jetzt der deutsche Ausdruck nicht ein, zwei Betten überein ander, wie man¹s für Kinder hat. Sie legte sich zu ihm. Aber abgewandt. Sie spürte seine Erregung. Griff nach ihm. Sie hatte Angst, daß die Schwester und deren Mann durch das jetzt entstehende Geräusch alles mitkriegten. Sie fühlte sich unfähig zu allem. Schwester und Schwager sangen Brüder lein, Brüderlein und Schwesterlein. Fledermaus. Gottlieb W. kam völlig ungeniert. Und zwar in ihren Mund. Für Dr. Douglas repräsentierten die Schwester und ihr Mann die ehrenwerte Gesellschaft jenseits des Atlantik. Als TraumNachgeburt lieferte sie Dr. Douglas ihre Stimmung beim Erwachen: März, Gottlieb W. KrallZürn will bleiben, bis er und sie ihre La MettrieDissertation durchgesprochen haben. Sie weiß, daß sie zuviel erwartet. Und erwartet trotzdem weiterhin zu viel. In dem Samenerguß in ihren Mund sieht Dr. Douglas diese übermäßige Erwartung ausgedrückt. Influence. Sie: Er hat ihr etwas in den Mund gelegt. Die Einladung des Samen händlerProgrammiererSchwagers bezeugt ihre Angst, der sexuelle Kontakt mit dem ersehnten Mann könne sie voll ends um ihre professionelle Zurechnungsfähigkeit bringen. Also das Ersehnteste als das Gefährlichste. Er müßte, ehe er hierherkommt, noch Madwoman in the Attic lesen. Manchmal kommt es ihr vor, als gebe es nichts von dem, was sie sich einbildet. Alles nur ein verzweifeltes Schließen aus diffusen Daten, die auch ganz anders zu deuten wären. Aber gestern hat er fernmündlich ihre Brüste geküßt, das sagt ihr auch jetzt noch, daß es ihn gibt, daß, was sie redeten, im land läufigen Bezeichnungswesen für Erotisches eingestuft werden kann als oral sex.
Ihr Kurs muß wegen zu großem Andrang geteilt werden. Also täglich zweimal. Heute das Formular Employment Eligibility Verification. Sie hat kein Arbeitsvisum, aber Lehren gehört zum Ph.D.Programm. Nach drei Stunden Telepho nieren die Auskunft: Die Visumsübertragung von NATO2 zu F1 dauert vier bis sechs Wochen. Ohne dieses Visum kein Gehalt mehr. Neue Formulare geholt und ausgefüllt. Sie soll unterschreiben, in diesem Land nie Arbeit zu suchen. Jane zeigt Mitgefühl. Dann geht die Tür auf,
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