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Der Augenblick: Reisen durch den unbekannten Alltag (German Edition)

Der Augenblick: Reisen durch den unbekannten Alltag (German Edition)

Titel: Der Augenblick: Reisen durch den unbekannten Alltag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Goettle
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Bewohnerin, daß ihr die Zunge in den Hals gefallen ist. Und da wird dann wieder ein Gegenmittel gespritzt, meistens Akineton. Aber in der Regel bekommen alle eben erst mal Haldol und ’ne Diagnose. Bei mir lautete die beim ersten Mal: ›manisch-depressiv‹. Dann hatte ich zwei Jahre später noch mal so einen Zustand, und da wurde eine ganz andere Diagnose gestellt, in einem anderen Krankenhaus, diesmal war es ›schizo-affektiv‹. Ich habe eine Psychotherapie gemacht und gehofft, daß ich nie wieder in die Krise komme, dem war aber nicht so. Insgesamt war ich dreimal in der Krise zwischen 1990 und 1997, seitdem nicht mehr.
    In der Schulmedizin ist es ja so: Die Psychiater sagen, beim ersten Mal muß man die Psychopharmaka soundso lang nehmen, beim zweiten Mal ein bis zwei Jahre, beim dritten Mal lebenslänglich! Ich fand eine Ärztin, die mich unterstützte beim Absetzen, und ich habe es geschafft! Ich hatte auch wieder eine Psychotherapie gemacht, wurde gut unterstützt und habe ziemlich viel aufgearbeitet. Er ist Lehrtherapeut, und ich habe zugleich eine Lehranalyse machen können. Und da habe ich endlich mal meine Vaterfigur gefunden, endlich eine wohlwollende Vaterfigur, mit viel Wertschätzung. Ich hatte ja keinen Vater. Als ich dreizehn, vierzehn war, kam der Stiefvater, der Alkoholiker war, und übergriffig war, mich geschlagen und auch an mir rumgefummelt hat. Vorher waren ich und ein zweites Mädchen in der Klasse die einzigen Kinder von alleinerziehenden Müttern, heute ist das Verhältnis umgekehrt. Und ich stellte mir halt vor, wie es wäre, wenn man einen Vater hätte. Wie schön das wäre, weil die Mutter nicht immer von morgens bis abends aus dem Haus müßte. Es war dann aber etwas anders. Ich selbst hätte für mich gerne so eine Friede-Freude-Eierkuchen-Familie gehabt, wie aus dem Bilderbuch, aber ich habe damals leider den Partner dazu nicht gefunden. Erst jetzt irgendwie – mein Freund war übrigens mal Reprofotograf bei der taz  –, ja, und nun bin ich 43 Jahre und schon zu alt, um noch ein Kind zu bekommen.
    Daß ich heute hier sitze, ist ein Glück. Ich hatte bereits im Eröffnungsjahr ’96 vom ›Weglaufhaus‹ gehört, irgendwo in einem Wartezimmer lag das Flugblatt rum, und ich dachte, ist ja toll, daß es so was gibt! Später hab’ ich die Werbung in der U-Bahn gesehen, dann kam auch das Buch übers ›Weglaufhaus‹ raus, es heißt ›Flucht aus der Wirklichkeit‹ und ist im Antipsychiatrieverlag vom Peter Lehmann – einer unserer Mitbegründer hier – erschienen. Ich bin im Laufe der Jahre immer wieder aufs ›Weglaufhaus‹ gestoßen, war immer neugierig, wußte aber nicht, wie ich da mal auftauchen könnte, und habe es dann aber immer wieder vergessen. Eines Tages war im Stadtmagazin Zitty eine Annonce von einem Projekt im Aufbau, Support . Sie suchten Leute, Stundenkontingent verhandelbar, psychiatriebetroffen sollten sie sein. Da fühlte ich mich angesprochen und habe mich formlos beworben. Es kam dann tatsächlich zu einem Vorstellungsgespräch mit zwei Leuten, und da habe ich erfahren, daß sie vom ›Verein zum Schutz vor psychiatrischer Gewalt‹ sind, an dem ja auch das ›Weglaufhaus‹ mit dranhängt. Sie haben mich dann genommen, wir machten Einzelfallhilfe, es war, wie gesagt, noch im Aufbau 2001. Ich hatte ja auch noch meine dreißig Stunden im Mädchenprojekt jede Woche, habe die zehn Stunden Einzelfallhilfe dann nebenberuflich gemacht. Nach dreizehn Jahren im Mädchenprojekt bekam ich die Kündigung, wegen Sparmaßnahmen wurden Stellen abgebaut. Und durch Zufall wurde grade zu dieser Zeit eine Stelle frei im ›Weglaufhaus‹, ich habe mich beworben und wurde genommen. Ich und eine andere Psychiatriebetroffene waren in der engeren Auswahl. Warum jetzt die nicht genommen wurde und doch lieber ich? Keine Ahnung. Vielleicht deshalb, weil der Wunsch so lange gereift ist bei mir hierherzukommen?«
    1 war Alkoholiker

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    SINNESEINDRÜCKE
    SCHULLEITERIN
    Ulrike Kegler, Lehrerin, Leiterin d. Montessori-Gesamtschule Potsdam. 1961 Einschulung i. d. Bodelschwingh-Grundschule, Deilinghofen/Sauerland. 1963 Umzug n. Berlin. Besuch d. Galilei-Grundschule u. ab 1968 Besuch d. Leibnitz-Gymnasiums i. Berlin-Kreuzberg. 1974 Abitur. 1975–1980 Lehrerausbildung (Projektstudium) an der Universität Oldenburg, 1980 Abschluß m. d. 2. Staatsexamen, Lehrbefähigung f. d. Lehramt i. Grund- und Sekundarschulen f. d. Fächer Kunst, Geschichte/Politik. 1980–1981 Lehrerin i.

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