Der Bastian
gehalten hatte, gehörte der Frau, die er auf keinen
Fall hatte kennenlernen sollen, weil er »genau der Typ war, der zu ihr paßte«.
Ergo mochte es sich bei den Köstlichkeiten, die in seinen Garten flogen, um ihr
Hab und Gut und um ihre Adresse auf den Ärzteblättern handeln.
Aber weshalb ausgerechnet in seinen Garten? Wie
sollte er das verstehen? Als kleine brüderliche Aufmerksamkeit?
Karl Guthmann wurde gleich darauf sehr zornig
infolge eines prüfenden Griffs in die Tengelmann-Tüte, in der sich Großmutters
Nachspeise befand.
Es ist nämlich ein ganz übles Gefühl, im Dunkeln
in Pudding zu fassen, ohne zu wissen, daß es sich nur um Pudding handelt.
Karl beschloß, sich zu rächen.
Seit dem frühen Nachmittag lebte Katharina
zwischen Wutanfällen und Depressionen.
Fuhr in ihrem Wagen mit einer Biene und
einem Federbett spazieren!
Na warte, Burschi! Sie sehnte den Moment herbei,
wo er ihr die Autoschlüssel zurückbringen würde. Sie brauchte seine Gegenwart,
um sich von ihren angestauten Anklagen und Schimpf Worten zu befreien.
Sie hätte ihn auch dringend für ihren Umzug am
nächsten Tag gebraucht. Zum Installieren von Lampen, zum Möbelrücken und
Gardinenaufhängen. Aber damit war es jetzt natürlich vorbei. Ehe sie ihm noch
einmal erlauben würde, ihr zu helfen, holte sie sich lieber einen elektrischen
Schlag oder stürzte von der Leiter. Schadete ihm gar nichts...
Nachdem sie jedoch Eitelkeit, Zorn, Trotz und
Rachegedanken im Laufe eines langen Nachmittags abgebaut hatte, blieb nur
Enttäuschung übrig. Und Leere.
Was brauchte sie jetzt noch eine neue, größere
Wohnung mit Küche!? Wozu?!
Was war sie selbst ohne Bastian? Er hatte ihr
seelisches Gleichgewicht und ihre anhaltende Hochstimmung während der letzten
beiden Wochen ausgemacht.
Katharina stopfte das letzte herumstehende
Geschirr in eine Tüte und anschließend in die Geschirrkiste, als es an der
Haustür klingelte.
Sie nahm den Hörer vom Haustelefon und fragte
»Hallo?« hinein.
»Hier Guthmann«, war die Antwort, begleitet von
Straßengeräuschen.
»Bastian!« fing sie an zu schimpfen. »Daß du
dich überhaupt noch herwagst!«
»Hier ist nicht Bastian, sondern Karl Guthmann,
der Bruder. Frau Dr. Freude?«
»Ja?« sagte sie verwirrt.
»Ich möchte etwas abgeben.«
»Den Autoschlüssel, ich weiß. Tun Sie ihn in den
Briefkasten.«
»Das, was ich abzugeben habe, paßt in keinen
Briefkasten.« Darauf drückte Katharina auf den Türknopf.
Karl erschreckte eine Mieterin, die gerade mit
ihrem Pudel Gassi gehen wollte, durch das Federbett in seiner Hand.
Er fragte nach Dr. Freude.
»Fünfter Stock«, sagte die Frau, »aber der Lift
ist außer Betrieb.«
Karl schulterte das Bett und machte sich mutig
an den Aufstieg.
Die Frau sah ihm nach. Typisch für heutzutage.
Angezogen war er wie ein feiner Pinkel; aber beladen mit irgendwo aufgegabeltem
Sperrmüll.
Sie kannte das. Schließlich half sie ab und zu
in der Tankstelle ihres Schwagers aus. Da gab es solche Typen. Fuhren einen
Maserati und tankten für sieben Mark fuffzig.
Sie verließ das Haus in dem Moment, wo ein
anderer junger Mann, den sie schon öfter mit der Freude gesehen hatte, in die
Sprechanlage säuselte: »Kathinka, Liebling, drück mal, ja?« Und darauf die
aufgebrachte Stimme der Freude: »Laß mich zufrieden. Erst schickst du deinen
Bruder vor. Jetzt kommst du auch noch selbst!«
»Wieso Karli?«
»Stell dich nicht so blöd.«
»Ich weiß wirklich nicht — .«
»Er muß gleich oben sein.«
»Wer? Was ist denn los?«
»Das fragst du mich? Fährst mit einer
Biene in meinem Auto spazieren, während ich...«
»Aber das war doch bloß die Susi!« brüllte
Bastian so laut, daß nicht nur die Frau mit ihrem zu einem Baum ziehenden Hund,
sondern auch die übrigen Straßenbenutzer bequem mithören konnten.
»Woher weißt du das überhaupt? Und was ist mit
Klappzahn??«
Ja, was war mit Karl Guthmann? Er hatte
inzwischen den dritten Stock erklommen und legte eine kurze Verschnaufpause
ein, während Katharina ihre ganze aufgestaute Wut dem Haustelefon mitteilte.
»Susi — immer Susi. Ich hab’ verstanden, daß du
dich um sie und ihr Baby gekümmert hast, als sie keine Bleibe hatten, aber
jetzt haben sie eine. Jetzt besteht kein Grund mehr, mit ihr in meinem Wagen spazierenzufahren.«
»Sie hat mir geholfen, deinen Müll
wegzubringen, verstehst du? Weiter nichts!«
Denselben Müll, zumindest einen Teil von ihm,
hatte Karl Guthmann inzwischen in
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