Der Bilderwächter (German Edition)
schmutziges Geheimnis den Preis für die Bilder in schwindelerregende Höhen treiben könnte.«
Sie hatte es gewusst, als sie ihn zum ersten Mal gesehen hatte. Dass er skrupellos war, von blindem Ehrgeiz getrieben.
Hatte auch Ruben das gewusst?
Hatte Ruben keinen Grund mehr gesehen, ihr Geheimnis über seinen Tod hinaus zu bewahren?
Sie zu schützen?
Hatte er Ilka seinem eigenen Ehrgeiz geopfert?
Thorsten wischte ihr die Tränen von den Wangen. Seine raue Haut kratzte auf ihrem Gesicht. Sie wandte sich ab.
» So empfindlich? So prüde?« Er zog sie an sich. » Mit einem Mal?«
Ilka versuchte, ihn wegzustoßen, doch es gelang ihr nicht. Er bog ihr die Arme auf den Rücken, und dann fühlte sie seinen Mund auf ihrem.
Anscheinend verlief das Gespräch mit Thorsten Uhland erfolgreich, sonst wäre Ilka längst wieder zu Hause. Inzwischen war es kurz nach zwanzig Uhr, und bis auf zwei Hartgesottene waren die Presseleute abgezogen, nachdem Merle sie grandios an der Nase herumgeführt hatte.
Sie hatte ihnen erzählt, Ilka sei abgetaucht, um dem ganzen Rummel zu entgehen. Freunde hätten sie eingeladen, die nächste Zeit bei ihnen auf dem Land zu verbringen.
» Sie können sich natürlich herzlich gerne weiterhin hier die Beine in den Bauch stehen«, hatte sie achselzuckend gesagt. » Aber so zwei, drei Wochen wird’s dauern.«
Einer nach dem andern waren sie verschwunden, denn Merle hatte einen oscarreifen Auftritt hingelegt. Wir stellten uns darauf ein, dass sie zurückkehren würden, sobald sie realisiert hatten, dass sie ihr auf den Leim gegangen waren, doch bis dahin hatten wir Ruhe vor ihnen.
Die beiden Übriggebliebenen hatten es sich in ihren Fahrzeugen bequem gemacht. Wir gaben ihnen noch ein, zwei Stunden, dann würden auch sie die Flinte ins Korn werfen.
Einige Male schon hatte Mike versucht, Ilka anzurufen, um ihr die veränderte Situation zu erklären, doch sie ging nicht an ihr Handy.
» Ich kapier das nicht«, sagte er genervt.
» Vielleicht hat sie es im Auto vergessen«, überlegte ich. » Oder es steckt in ihrer Handtasche, die sie irgendwo hingestellt hat.«
» Männer«, sagte Merle abschätzig. » Die Weibchen müssen jederzeit bereitstehen und den Anruf vom Herrn und Meister sehnlichst erwarten. Claudio würde genauso reagieren.«
Mike verzog sich beleidigt in seine Werkstatt und ich warf Merle einen tadelnden Blick zu.
» Du weißt genau, dass Mike nicht diese Art von Mann ist.«
» Jeder Mann ist exakt diese Art von Mann«, gab sie ungerührt zurück. » Nur können die einen es besser verbergen als die andern.«
» Ich wollte, Luke würde sich nur halb so viele Sorgen um mich machen. Ich hätte absolut nichts dagegen.«
Doch das tat er nicht. Warum auch? Ich war ja immer da, wenn es ihn nach meiner Gegenwart gelüstete.
Kaum hatte ich das zu Ende gedacht, schämte ich mich.
» Luke ist okay«, sagte Merle, und ich musste schmunzeln. Es war nicht leicht, vor ihren kritischen Augen Gnade zu finden, wenn man ein Mann war und noch dazu mit einer ihrer Freundinnen zusammen.
» Sollen wir uns einen Film ansehn?«, fragte ich.
» Ohne Ilka?«
» Wir haben so viele aufgenommen – gucken wir später mit ihr zusammen eben einen andern.«
Seit wir in unserem Bauernhof lebten, genossen wir den Luxus, einen kleinen Raum eigens zum Fernsehen zu besitzen. Wir hatten ihn mit einem alten Sofa von meiner Großmutter eingerichtet, einigen Sitzkissen, die wir auf dem Flohmarkt erstanden hatten, und einem heiß begehrten Kratzbaum mit Bändern, Glöckchen und kuscheligen Schlafplätzen für unsere Katzen.
Wir deckten uns gerade mit Chips und Schokolade ein, als es klingelte.
» Wer kann das sein?«, flüsterte Merle.
» Buona sera«, hörten wir da Claudios Stimme. » Antipasti und Pizzabrötchen gefällig?«
Merle öffnete, zog ihn schnell herein und schlug die Tür wieder zu.
» Was ist los?«, fragte Claudio erschrocken.
Doch dann drückte er mir, ohne die Antwort abzuwarten, eine Transportbox in die Hand, schnappte sich Merle und küsste sie leidenschaftlich.
Ich trug die Box in die Küche und öffnete sie. Ein überwältigender Duft nach dem Besten, was Claudios Küche zu bieten hatte, stieg mir in die Nase. Der Mann wusste, wie man Herzen eroberte, selbst wenn sie sich kurzzeitig verschlossen hatten.
Während ich alles auf zwei großen Tellern anrichtete, kamen Merle und Claudio Hand in Hand in die Küche. Merles Wangen waren gerötet, ihre Augen blitzten. Claudio konnte noch so
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