Der Bilderwächter (German Edition)
geordnet.«
» Mehr hast du nicht rausgekriegt?«
» Ich hatte überhaupt nicht vor, irgendwas rauszukriegen. Das ist das, was ich aufschnappen konnte. Was wollte der Kommissar von dir?«
» Mir sagen, dass wir uns raushalten sollen.«
» Der hat leicht reden.«
Dasselbe hatte ich auch gerade gedacht. Wir hatten niemals vorgehabt, uns in die Angelegenheiten der Polizei einzumischen. Nur waren es manchmal eben auch unsere Angelegenheiten gewesen.
» Bitte nicht«, sagte ich. » Nicht schon wieder.«
» Dein Wort in Gottes Gehörgang«, seufzte Merle. » Falls Götter Ohren besitzen.«
Der Kommissar konnte beruhigt sein. Wir würden uns nicht einmischen.
Nicht freiwillig zumindest. So viel konnte ich ihm versprechen.
*
Ilka erwischte Onkel Knut in seinem Büro. Er arbeitete bei der Bank, war zuverlässig, rechtschaffen und vertrauenswürdig, konnte gut mit Zahlen umgehen und liebte seinen Beruf, der ihm auf den Leib geschneidert schien. Er freute sich, wie jedes Mal, wenn er Ilkas Stimme hörte.
» Onkel Knut, ich möchte dich etwas fragen. Hast du einen Moment Zeit für mich?«
» Auch zwei, wenn es sein muss.«
» Es geht um Rubens Nachlass.«
» Das habe ich mir schon gedacht.«
Er kannte sie gut. Immerhin hatte Ilka einige Jahre im Kreis seiner Familie verbracht, da war er so was Ähnliches wie ein … zweiter Vater für sie geworden.
» Bin ich verpflichtet, ihn der Öffentlichkeit zugänglich zu machen?«
Onkel Knut schwieg. Er war kein Mann der übereilten Worte, bedachte jede Äußerung genau, was oft dazu führte, dass sein Gegenüber ungeduldig wurde.
Ilka nicht. Sie wartete ab.
» Das kann ich so nicht beantworten«, sagte er schließlich. » Aber ich denke, das ist keine juristische Frage, sondern eine moralische.«
» Du meinst …«
» … dass die Menschen ein Recht auf das Werk eines bedeutenden Künstlers haben. Man darf es ihnen nicht vorenthalten, es sei denn, es gäbe schwerwiegende Einwände gegen das Werk selbst.«
Die gibt es, dachte Ilka, nur weiß das keiner außer Jette und mir. Und niemand soll es je erfahren. Nicht mal Tante Marei oder du.
» Spielst du denn mit dem Gedanken, Rubens Nachlass unter Verschluss zu halten?«
» Ich … ich weiß es nicht, Onkel Knut. Ich bin ziemlich verwirrt.«
» Du möchtest verhindern, dass alles wieder aufgewirbelt wird.«
» Ja.«
» Das kann ich verstehen, sehr gut sogar. Aber ich glaube, die Bilder selbst werden die Geschichte von damals schnell verdrängen.«
» Die Öffentlichkeit …« Ilka fand nicht so leicht die richtigen Worte » … das ist eine Masse ohne Gesicht. Wie immer sie reagiert – ich muss es hinnehmen. Ich dagegen habe ein Gesicht für die Öffentlichkeit und kann es nicht verstecken.«
» Was hat der Nachlassverwalter denn genau vor?«, fragte Onkel Knut.
» Er will das ganz große Geschäft, und das nicht nur in Deutschland.«
» Was bedeutet das konkret?«
» So genau haben wir noch nicht darüber gesprochen. Ich will mich gar nicht damit beschäftigen, Onkel Knut. Ich will … meinen Frieden.«
Und dass mein schreckliches Geheimnis mein Geheimnis bleibt. Dass nicht irgendwelche findigen Reporter ausgraben, was tief in mir verborgen ist.
» Bekommst du den denn, wenn du Rubens Bilder vor der Welt versteckst?«
» Ich wollte, ich wüsste es.«
» Möchtest du heute Abend zum Essen kommen, Ilka? Wir würden uns sehr freuen. Dann können wir noch einmal in aller Ruhe darüber reden.«
» Ich überleg’s mir, Onkel Knut. Aber du hast mir schon geholfen. Vielen Dank.«
Das hatte er tatsächlich, ohne es zu wissen.
Ilka beendete das Gespräch und wählte Thorsten Uhlands Nummer.
*
Bert und Rick hatten sich ein wenig verspätet. Thorsten Uhland wartete in Rubens Haus auf sie. Er wirkte gehetzt und verdrossen und gab sich keine Mühe, das zu verbergen.
» Würden Sie bitte die Überzieher benutzen?« Er beobachtete, wie sie seiner Aufforderung Folge leisteten, und eine steile Falte stand senkrecht auf seiner Stirn. » Ich wäre Ihnen dankbar, wenn wir es kurz machen könnten. Ich habe heute noch viel zu tun.«
» Wir auch«, schoss Rick zurück. » Das dürfen Sie uns glauben.«
Thorsten Uhland führte sie durch eine zweite Stahltür in einen großen Raum, in dem es aussah, als würde ein Galerist den Umzug planen. Überall hingen und standen Bilder. Manche waren in Containern untergebracht, andere stapelten sich auf Tischen und Stühlen. Auf einem Schreibtisch türmten sich Papiere,
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