Der Club der Teufelinnen
schwieg kurz. »Was ist geschehen?«
Wie sollte sie ihr das erklären? Sehen Sie, Frau Dr. Gancher, Sylvies Vater ist ein Lügner und Dieb. Ach, Gott, das konnte sie nicht. Und wieso steht Aaron nicht hier und bettelt? dachte sie bitter.
»Mein Mann, mein Exmann hat sich an der Börse verspekuliert«, stieß sie schließlich hervor.
Die Verwunderung auf Dr. Ganchers Gesicht wich der Besorgnis. »Und wie wird es weitergehen? Sie wissen, daß nach unserer Ansicht allein ein Langzeitaufenthalt eine erfolgreiche Behandlung gewährleistet. Ein vorzeitiger Abbruch des Aufenthaltes würde eher schaden, nicht nur Sylvie, sondern der ganzen Gemeinschaft.«
»Dr. Gancher, ich werde das Geld aufbringen, um den Treuhandfonds für Sylvie wieder aufzufüllen. Ich verfüge über einige Reserven. Ich bin nur gerade jetzt nicht flüssig. Ich sehe, wie glücklich Sylvie ist, und ich möchte sie keineswegs aus dieser Umgebung reißen. Bitte geben Sie mir noch ein wenig Aufschub.«
»Ja, das kann ich machen, Mrs. Paradise.« Das Gesicht von Frau Dr. Gancher entspannte sich. »Ich werde es dem Schatzmeister erklären. Aber wir werden eine schriftliche Bestätigung von Ihnen benötigen, mit einer genauen zeitlichen Festlegung Ihrer Zahlungen und einer Überlegung bezüglich der weiteren finanziellen Zukunft von Sylvie.«
»Natürlich.« O Gott, nichts wie weg hier. Das war sogar noch schlimmer, als sie befürchtet hatte. Es fehlte noch, daß sie anfing zu weinen.
»Ich danke Ihnen.« Annie stand bereits.
Sie ging zur Vordertür hinaus, bloß nicht Miguel oder Sylvie in die Arme laufen, bevor sie sich nicht wieder einigermaßen gefaßt hatte. Ein paar tiefe Atemzüge in der kalten, frischen Luft. Gut, das wäre geschafft. Aber das würde sie Aaron niemals vergeben können. Niemals. Und sie würde alles nur mögliche tun, um Sylvie dies hier zu erhalten.
Diesen Nachmittag würde sie mit Sylvie verbringen. Sie würde mit Pangor spielen, Sylvies Zimmer sehen, sie zum Mittagessen einladen, zuschauen, wie sie die mitgebrachten Geschenke auspackte. Sie würde sich freuen an ihrer neuen, erwachsenen Tochter.
Und dann wäre da nur noch Miguel, mit dem sie sich befassen mußte. Sie fragte sich, wie sehr er sie wohl leiden mochte und ob ihm das helfen könnte, Gil dingfest zu machen. Denn jetzt gab es keine Schonung mehr. Miguel würde alles von ihr erhalten. Und wenn es Aaron dabei mit erwischte, dann sollte das so sein.
Sie wandte sich um und kehrte zum Parkplatz zurück. Vor der Kantine sah sie Miguel und ihre Tochter, wie sie Schneebälle nach einer Platane warfen und sich unterhielten. Sylvie schien zu lachen. Annie lächelte. Sie würde ihrer Tochter das Lachen bewahren, zu welchem Preis auch immer.
Auf ihrer Heimfahrt herrschte tiefes Schweigen zwischen Annie und Miguel.
»Sie ist ein reizendes Kind«, sagte er schließlich. »Und putzig.«
»Ja«, stimmte sie ihm zu. Sylvie verfügte über eine große Bandbreite an Grimassen, mit denen sie ihrer Ausdrucksweise nachhalf. Beim Anblick von dem gesottenen Barsch, den Miguel mitsamt dem Kopf zum Mittagessen serviert bekommen hatte, hatte sie ihre Nase gerümpft und ihr Gesicht zu einer Fisch-Schnute verzogen.
»Das scheint eine gute Schule zu sein.«
»Ja. Nur zu schade, daß ich sie mir nicht leisten kann.« Sie holte tief Luft. »Miguel, ich habe ein paar neue Informationen für Sie. Ich weiß nicht, ob sie Ihnen in Ihren Untersuchungen zu Gil Griffin weiterhelfen, aber …« Wieder holte sie tief Luft. »Wir glauben, daß Aaron auf Grund eines Tips von Morty Cushman in Morty-Aktien investiert hat. Aber wir haben dafür keine Beweise. Danach sausten die Werte nach unten. Irgend etwas ist da passiert, aber was, wissen wir nicht. Dafür wissen wir, daß Morty Cushman gewisse Schwierigkeiten mit der Steuerfahndung hat. Wir glauben, daß es Verbindungen geben dürfte zwischen Gil, Morty und Aaron.«
»Gut. Vielleicht kann ich damit etwas anfangen. Ich werde Mr. Cushman aufsuchen. Und was werden Sie in der Zwischenzeit unternehmen?«
»Ich welcher Sache?«
»In der mit Sylvies Schule. Sie dürfte alles andere als billig sein.«
»Ich weiß nicht.« Tränen stiegen Annie in die Augen. »Ich weiß wirklich nicht.« Und dann konnte sie die Tränen einfach nicht weiter zurückhalten. Miguel fuhr auf den Seitenstreifen. Es war schon fast ganz dunkel geworden. Er reichte ihr sein frisches Taschentuch, doch ihr Schluchzen wollte nicht enden. Ungeschickt legte er den Arm über die
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