Der Druiden-Schatz
der Boden Wellen warf und genau an den Stellen aufbrach, wo die sechs Druiden standen.
Mein Herzschlag stockte. Das konnte doch nicht sein, das gab es nicht. Ich hatte mich nicht getäuscht.
Die Druiden wurden begraben.
Sie sanken ein, opferten sich für Guywano. Als lebende Menschen sanken sie ein in den Boden, der sie gleichzeitig verschluckte. Ich schaute aus starren Augen zu, wie sie hineingedrückt wurden, ohne sich zu wehren. Rauch und Schatten hüllten sie ein, während Guywano auf dem Grab stand und zuschaute.
Sie gingen für ihn in den Tod. Eine andere Möglichkeit gab es für mich nicht. Guywano hatte befohlen, sie gehorchten. Es war auch in einem gewissen Sinne logisch. Ich brauchte nur an unsere erste Begegnung in der Gegenwart zu denken. Da war der alte Guywano der Herrscher eines Druidenfriedhofs gewesen und hatte seine Feinde ebenso schaurig begraben wie seine Diener hier.
Sie mußten in den Boden.
Die sechs hatten in respektabler Entfernung einen Kreis um das Grab gebildet. Ich dachte darüber nach, ob sie eventuell als Wächter eingesetzt waren.
Niemand sollte sich der toten Königin nähern. Was einmal durch Guywano begraben war, das blieb in der Erde.
Bis auf einige Ausnahmen.
Ich sah, wie sie allmählich verschwanden. Da sie einen Kreis gebildet hatten, konnte ich nicht nur die Rückansichten der Schädel erkennen, auch Gesichter.
Im Laufe von fast zweitausend Jahren haben sich auch die Menschen verändert. Nicht nur in ihrer Körpergröße, auch was Kopf und Gesichtsform angeht.
Diese Druiden besaßen schmale Köpfe, fast asketische. Ihre Haut wirkte dünn, die Augen wie dunkle Perlen, und ich glaubte auch, die Lippen leicht grünlich schimmern zu sehen.
Aus Angst?
Nein, keine Angst las ich von den Gesichtern ab. Mir kam es vor, als würden diese Menschen gern für ihren Herrn und Meister in den Tod gehen. Vielleicht lächelten sie sogar, da konnte ich auch durch das schattenhafte Licht getäuscht worden sein.
Dieser Vorgang war nicht nur unheimlich, auch unbegreiflich. Die Erde unter der Oberfläche schien aus zahlreichen gierigen Armen zu bestehen, die alles umschlangen und auch die Druiden in die grauenhafte Tiefe zogen.
Die letzten Haare verschwanden.
Und die Erde, die sich für die sechs Menschen geöffnet hatte, schloß sich über den Köpfen.
Auf dem Grab stand Guywano. Sein Gesicht zeigte sich irgendwie verklärt. Nur war es kein Licht, das für diesen Ausdruck sorgte, eher die grauen Schatten, die ihm ein anderes Aussehen gaben. Und Schatten drängten herbei.
Ich traute meinen Augen nicht. Etwas Kaltes schien mein Herz zu umschließen, als ich erkannte, daß die Schatten genau an den Stellen aus dem Boden stiegen, wo die sechs Menschen verschwunden waren. Ich suchte nach einer Erklärung.
Wahrscheinlich waren die Diener genau in diesem Augenblick gestorben. Der Boden hatte sie zerdrückt und ihnen den Atem geraubt. Aber sie besaßen ein Erbe.
Eben diese sechs Schatten!
Waren es die Seelen der Menschen? Davon konnte ich fast ausgehen. Dunkle Druiden-Seelen, die aus der Tiefe der Erde gestiegen waren, um weiter zu leben. Es war kaum zu fassen.
Wieder hob Guywano beide Hände. Er bewegte seine Finger. Sie kamen mir vor wie Beine einer dicken Spinne und waren so gelenkig, als würden sie zu einem Kartenkünstler gehören, der auf der Bühne stand und seine Tricks vorführte.
Das Bewegen der Finger geschah in einem genau abgesteckten Rhythmus. Die Schatten verstanden es und gehorchten. Sie bewegten sich auf den Druiden zu, kreisten ihn ein und begannen damit, ihn zu umtanzen.
Guywano sprach zu ihnen. Ich hörte die Worte, ohne sie zu verstehen. Aber ich erkannte an der Reaktion der tanzenden Schatten, daß sie beschworen wurden.
Sie gehorchten uralten Gesetzen und bewegten sich haargenau im Takt der Worte.
Dann waren sie verschwunden.
Von einem Augenblick zum anderen geschah dies. Zum Glück hatte ich genau geschaut, sonst wäre es mir kaum aufgefallen. Jedenfalls lösten sich die sechs Schatten auf. Vielleicht wurden sie eins mit der uns umgebenden Luft, denn ich konnte mir nicht vorstellen, daß der Druiden-Priester sie vernichtet hatte. Die anderen Männer warteten irgendwo im Hintergrund, gedeckt durch den Rand der Senke.
Stille breitete sich aus.
Es war eine Stille, die ich trotzdem nicht als eine solche empfand, denn ich hatte das Gefühl, als würde sie leben. Leider hörte ich nichts. Es war ein stummes Leben, das man nur mehr fühlen konnte. Ein Ort der
Weitere Kostenlose Bücher