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Der falsche Engel

Der falsche Engel

Titel: Der falsche Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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Genosse General, keine Lügenmärchen«, beruhigte ihn Sergej.
    »Antworte auf meine Frage, Major. Warum machst du das alles?«
    »Ich hab mit Ismailow meine eigene Rechnung offen«, erklärte Sergej, noch immer lächelnd, »ich will ihn lebend kriegen.«
    »Du hast dort gekämpft?« Der General schüttelte leicht den Kopf.
    »Auch.«
    »Du bist nicht der Einzige. Warum glaubst du, dass du mehr Chancen hast als ein anderer?«
    »Weil ich ihn persönlich kenne.«
    »Wie hast du denn das geschafft? Warst du bei ihm in Gefangenschaft? Schon gut, darauf musst du nicht antworten. Das tut nichts
     zur Sache. Hauptsache, du hast Erfahrung und einen Kopf auf den Schultern, und daran habe ich keinen Zweifel. Michail hat
     ein Gespür für Menschen. Du hast Schamil Ismailow also mit eigenen Augen gesehen. Und er dich natürlich auch? Ach so, dann
     …« Der General lachte heiser und schwerfällig. In seiner Brust gluckerte es, die blauen Adern auf seiner Stirn schwollen an.
     Das Lachen ging in Husten über.
    »Brauchen Sie Ihre Medizin?«, fragte Sergej besorgt.
    Der General schüttelte den Kopf und keuchte: »Wasser.«
    Auf dem Nachttisch stand eine Flasche Wasser. Sergej füllte das darüber gestülpte Glas und reichte es dem General. Der trank
     ein paar Schlucke und lehnte sich im Sessel zurück.
    »Krank sein ist Scheiße, Major«, murmelte er mit geschlossenen Augen. »Ich hab nur noch sehr wenig Zeit. Und noch weniger
     Kraft. Hör gut zu und präg es dir ein. Ich hab Raiski einen Haufen Geld gezahlt. Aber nicht, damit er sich Generalssporen
     verdient. Sollte er sie kriegen, würde es mich freuen, wenn ich nicht vorher sterbe. Aber ich habe ihn für das Leben meines
     Sohnes bezahlt. Ich habe nur deneinen. Ich weiß, dass er ein Scheißkerl ist. Aber er ist mein Einziger. Verstehst du, was ich meine?«
    »Ich glaube, ich ahne es.« Sergej nickte unsicher. »Sie vermuten, dass Ihr Sohn nicht von Ismailow verfolgt wird, sondern
     von jemand anderem.« Das war eher eine Feststellung als eine Frage.
    »Und du?«, erkundigte sich der General und maß ihn mit einem unerträglich brennenden, irgendwie jenseitigen Blick.
    »Ich auch«, bekannte Sergej.
    »Kann ich dir trauen?«
    »Das müssen Sie selbst entscheiden.«
    »Wie soll ich entscheiden, wenn ich keine Wahl habe?« Die blauen Lippen verzogen sich zu einem wehmütigen Lächeln. »Keine
     Wahl und keine Zeit. Ich habe noch einen Monat. Vielleicht auch weniger. Und, was meinst du, wer ist dieser andere, der meinen
     Sohn jagt wie einen Hasen?«
    »Sagt Ihnen der Name Mascha Demidowa etwas?«, fragte Sergej vorsichtig.
    »Du weißt schon Bescheid«, sagte der General nachdenklich, »alle Achtung. Und, irgendwelche Überlegungen in diese Richtung?«
    »Auf dem Papier ist Juri Michejew vor fünf Jahren gestorben. Erinnern Sie sich an ihn?«
    »Ich habe ihn nur vor Gericht gesehen«, erwiderte der General knapp. »Hab versucht, ihm zu helfen. Der Junge hat zu viel bekommen.
     Das Ganze war eher ein Unfall.«
    »Wissen Sie vielleicht, warum?«
    »Er hat überflüssiges Zeug geredet. Sich benommen wie ein Idiot. Aber vor allem meinte der Vater des Mädchens, es würde ihnen,
     also den Eltern, helfen, wenn der Junge verurteilt wird. Aber mein Stas hat mit der Sache nichts zu tun. Wenn Michejew lebend
     aus dem Lager gekommen ist, müsste er sich vor allem an Demidow rächen. Doch der istein Jahr nach dem Tod seiner Tochter an einem Herzinfarkt gestorben.«
    »General, wo hat Georgi Sawjalow gedient, bevor er zu Ihnen kam?«
    »Wozu willst du das wissen?«
    »Ich weiß, dass er eine Zeitlang Wachsoldat im Lager war.«
    »Erzieher.«
    »Wo genau?«
    »Im Gebiet Archangelsk. Ein Arbeitslager mit strengem Regime. Die Nummer weiß ich nicht mehr. Jedenfalls nannte man das Lager
     ›Narkose‹. Dorthin kamen die schlimmsten Kriminellen und die aufsässigsten Häftlinge aus ganz Russland. Wozu brauchst du das?
     Du meinst, Georgi wurde nicht zufällig umgebracht? Nicht, um Stas einzuschüchtern und in Verdacht zu bringen?«
    »Nur eine Routinefrage.«
    »Und als Nächstes fragst du, ob ich weiß, wo Michejew gesessen hat? Ja, die letzten vier Jahre saß er in genau diesem Lager.
     Und was folgt daraus?« Der General sprach böse und abgehackt; hätte er genügend Kraft gehabt, hätte er gebrüllt, Sergej angebrüllt
     wie einen dummen Jungen. »Die Pistole, mit der Georgi erschossen wurde, hat jemand in die Wohnung geschmuggelt, in der Stas
     die fragliche Nacht verbracht hat«,

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