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Der Flirt

Titel: Der Flirt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen Tessaro
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Tisch in der Halle lag ein Zettel.
     
Gästezimmer fürchterlich. Bin auf unabsehbare Zeit im
Dorchester abgestiegen.
    Arnaud
     
    Es war Gaunts Handschrift. Arnaud hatte es ihm offensichtlich diktiert.
    Sie zerknüllte den Zettel und ließ ihn zu Boden fallen.
    Sie war todmüde, erschöpft von seinen Szenen und Wutanfällen. Was spielte es jetzt noch für eine Rolle, wer den Zettel sah?
    Sie stieg die Treppe hinauf und ging in ihr Zimmer.
    Dort stand das Bett, ihr gemeinsames Bett; wunderschön bezogen mit teurem Leinen, überhäuft mit kunstvoll gefertigten Petit-Point-Kissen. Doch seinem Wort getreu war alles, was Arnaud gehörte, entfernt worden; seine Bücher und Papiere
stapelten sich nicht mehr auf seinem Nachttisch, und sein Morgenrock hing nicht mehr hinter der Schlafzimmertür.
    Olivia öffnete den Schrank und wurde vom Klappern leerer Kleiderbügel begrüßt.
    Nichts war übrig geblieben, nicht einmal ein verirrter Schnürsenkel.
    Sie sah sich um.
    Seine Abwesenheit war so greifbar, wie seine Gegenwart einst gewesen war. Der Raum fühlte sich nicht nur leer an, sondern unerwartet beraubt.
    Da war noch etwas …
    Der alte Sessel neben dem Fenster, den Arnaud so liebte, war weg. An seiner Stelle stand jetzt ein Louis-Ghost-Stuhl von Philippe Starck. Den anderen hatte er offensichtlich mitgenommen und diesen an seine Stelle stellen lassen. Leicht und transparent, wirkte er im Vergleich zerbrechlich, substanzlos − ein Witz.
    Sie setzte sich auf die Bettkante.
    Kleider waren eine Sache, aber Möbel signalisierten etwas Dauerhafteres. War dies der Anfang eines größeren Risses, zuerst getrennte Zimmer, dann getrennte Häuser? War es wirklich schon so weit gekommen? Furcht nagte an ihrem Herzen.
    Abendessen mit Pollard.
    Wie oft hatte er diese Woche mit Pollard zu Abend gegessen?
    Und da wusste sie es.
    Sie stand auf und trottete die Treppe hinunter, von einem wachsenden Gefühl der Unvermeidlichkeit in Arnauds Arbeitszimmer gelenkt.
    Die Beweise waren leicht zu finden. Da waren sie, warteten fein säuberlich zusammen mit den anderen Haushaltsrechnungen
gestapelt auf seinem Schreibtisch darauf, abgeheftet zu werden. Er hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, sie zu verstecken − Quittungen für Schmuck, der nicht für sie bestimmt war, Rechnungen von Hotels, in denen sie nicht gewesen war, und von Restaurants, die sie nie mit ihm besucht hatte. Er hatte angenommen, sie wäre zu dumm oder zu vertrauensselig, um je nachzusehen.
    Er hatte eine Affäre.
    Olivias Beine gaben nach. Sie brach zusammen, die Wange auf den kühlen Wollteppich gepresst.
    Löste sich wie ein Stück Treibgut, trieb schwerelos und taub dahin.
    Die Nacht senkte sich um sie herab, dumpf, stickig und schwarz.
     
    Juan wartete am Stationszimmer auf Leticia. Er war kleiner als in ihrer Erinnerung und wirkte älter; konservativ gekleidet in eine marineblaue Windjacke und Jeans. Ihr Bild von ihm als extravagantem brasilianischem Wüstling löste sich augenblicklich in Luft auf.
    »Wo ist er?«
    »Am Fenster.« Er nahm sie am Arm und führte sie in die Station.
    Vor dem Bett blieben sie stehen, und Juan zog behutsam den Vorhang zurück. Leo schlief, eine Infusionsnadel am Arm. Monitore piepsten beruhigend, doch sein Atem ging mühsam, seine Haut war blass und seine Stirn feucht. Seine Beine sahen unter den Laken aus wie zwei Stöcke.
    »Wann haben Sie ihn gefunden?«
    »Heute Nachmittag. Er war gefallen. Zum Glück habe ich einen Schlüssel. Normalerweise sehe ich zweimal am Tag nach ihm.«
    »Verstehe.«

    Er war sein Pfleger, nicht sein Geliebter. Leticia war ernüchtert, beschämt. Leo hatte eine Pflegekraft gebraucht, und sie hatte es nicht einmal mitbekommen.
    »Ich habe einen Krankenwagen gerufen. Er hat eine Lungenentzündung und eine schlimme Nierenentzündung. Sie geben ihm hohe Dosen Antibiotika.«
    »Aber wie? Wie konnte das so schnell kommen?«
    »Wenn das System vorher schon schwach ist …« Seine Stimme verlor sich.
    »Er war vorher schon krank? Ich meine wirklich krank, nicht nur erkältet?«
    Juan schwieg.
    »Er war vorher schon krank«, sagte sie noch einmal und erinnerte sich an die Arzneifläschchen.
    »Ja. Es geht ihm schon eine Weile nicht gut.«
    Wieso hatte sie das nicht gemerkt?
    Sie berührte seine Hand. Sie war feuchtkalt. »Die Decken sind nicht warm genug. Schauen Sie nur, wie dünn sie sind!«
    »Er hat Fieber. Zu viele Decken, und er strampelt sie nur weg.« Juan lächelte. Er hatte ein nettes Lächeln. »Sie

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