Der Geheimtip
weh, die Zunge pappte am Gaumen fest, der Magen war ein Paket Watte, und die Beine zitterten. Gerade heute, wo Egon Meier vor der wichtigsten Besprechung seines Lebens stand!
Er stakste zur Tür. Nanu? Der Schlüssel steckte ja gar nicht?! Trotz seiner Kopfschmerzen guckte Egon vorsichtig umher. Da lag der Schlüssel! Auf dem Boden! Neben einem umgestürzten Zinnleuchter!
Egon war fassungslos. War er denn wirklich so betrunken gewesen letzten Abend? Er drückte auf die Klinke. Die Tür war gar nicht abgeschlossen.
Egon erstarrte zur Salzsäule. Nach einiger Zeit ließ er sich vorsichtig auf die Knie nieder – Bücken kam nicht in Frage, der Kopf war einfach zu schwer –, um den Schlüssel aufzuheben.
In diesem Augenblick klopfte es.
»Herein!« rief Egon verdattert, und sofort wurde die Tür weiter geöffnet. Iwanow Kuljowitsch balancierte artig ein Frühstückstablett auf seinen großen Händen und sah belämmert auf den Gast hinunter, der da auf allen vieren hockte und zu ihm emporsah.
Vielleicht hatte Pallando sein ›Schlafe-süß‹ zu stark dosiert und der Kerl war verrückt geworden? Das hätte sicher nichts geschadet. Auf den zweiten Blick bemerkte Kuljowitsch jedoch den Schlüssel in Egons Hand, und es lief ihm heiß den Rücken hinunter. Eigentlich kam Kuljowitsch hauptsächlich, um die Sache mit dem Schlüssel zu vertuschen. Natürlich, dieser Mensch von der ›Schraufa‹ war ein gewiefter Bursche. Er grinste Egon freundlich an.
»Du machen Frrühgymnastik?«
»Ja, so kann man es nennen.« Egon erhob sich so elegant wie möglich und ließ den Schlüssel in seine Tasche gleiten. Wenn die merkten, daß er so blau gewesen war und noch einen Kater hatte, konnte er seine ›Schraufa-A1‹-Muster gleich einpacken.
»Frrühstück!« trompetete Kuljowitsch und warf einen verzweifelten Blick auf das bewußte Köfferchen, das unschuldig neben dem Bett auf dem Boden stand. Auf dem Tablett war ein Körbchen mit Toast, Ananaskonfitüre, Eis, Orangensaft, Kaffee, Butter, Schinken, Käse und ein Päckchen Aspirin. Sie ahnten also etwas.
Egon wurde bei den leckeren Düften richtig übel. Sein Betreuer setzte das Mahl elegant auf dem Tisch ab.
»Guttt fressen!« sagte er heiter. Meier zuckte leicht zusammen, aber er lächelte zurück.
Später führte er den Herren, zu denen sich noch ein langer Dünner mit weißer, spitzer Nase und Spinnenfingern namens Joao Ferreira Mendonca Caetano gesellt hatte, sein Patent ›Schraufa-A1‹ vor. Er hatte vorhin doch ein bißchen Kaffee mit drei Aspirin und einen trockenen Toast hinuntergebracht. Jetzt war ihm etwas besser.
Die Herren hielten die Luft an, als er den Buchdeckel aufklappte, hinter dessen ausgestanzter Blume sich der Lautsprecher verbarg. Jetzt war die Anordnung von sechzehn numerierten Drucktasten zu sehen, und Egon erklärte, wie Dr. Kranzer es ihm beigebracht hatte, möglichst selbstsicher deren Funktionen.
»Einbrecher, die sich arglos nähern, lösen sofort die Sirene aus. Diese Knöpfe hier alarmieren bei Feuer, die reagieren auf Nässe, wenn es reinregnet oder bei einer Überschwemmung beispielsweise und so fort; mit denen hier kann man Beleuchtung und Geräte nach Wunsch aus- und einschalten. Selbstverständlich reagiert ›Schraufa-A1‹ auch auf Geräusche, falls Baby oder Hundchen in einem anderen Raum überwacht werden sollen. Daß unser Patent außerdem als Wecker zu programmieren ist, versteht sich von selbst. Es geht ans Netz – so! Oder es läuft, wenn man es, im Garten etwa, harmlos deponieren will, um gegen Eindringlinge sicher zu sein, mit Akkumulator, der natürlich jederzeit aufgeladen werden kann.«
Bei dem Wort ›Akkumulator‹ warfen die Herren sich verständnisinnige Blicke zu. Egon hoffte, daß er nichts Falsches gesagt hatte und daß sie ihn verstanden hatten und keine schwierigen Fragen stellen würden.
Aber sie schienen begeistert zu sein. Besonders José. Der faßte den Apparat mehrmals an, wog ihn in der Hand und schnüffelte an ihm.
Die Verhandlung war kurz. Spinnenfinger fragte in akzentfreiem Deutsch: »Könnten Sie uns die Muster für einige Stunden zur Überprüfung überlassen?«
»Tut mir leid. Aber Sie werden verstehen, daß ich das Patent nicht aus der Hand geben kann«, erwiderte Egon mit Herzklopfen.
Pallando murmelte etwas wie »Cento mil«, und der Herr sagte:
»Gut, wir verlassen uns auf ihre Auskünfte. Hunderttausend Stück. Fürs erste.« Es klang süß in Meiers Ohren.
»Wann können Sie die Ware
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