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Der Hund des Todes

Der Hund des Todes

Titel: Der Hund des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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nun, Raoul, du weißt schon, sie war immer ein dummes Mädchen.‹
    Ich nickte.
    ›Sie ist oft so seltsam – ich weiß dann wirklich nicht, wie ich alles verstehen soll.‹
    Ein wenig danach betrat ich den Lesesaal. Felicie spielte Klavier. Sie spielte eine Melodie, die ich Annette in Paris hatte singen hören. Verstehen Sie, meine Herren? Es gab mir einen ordentlichen Schock. Als sie mich hörte, brach sie ab und wandte sich mir zu, ihre Augen voller Spott und Intelligenz. Einen Moment lang dachte ich – nun, ich will nicht sagen, was ich dachte.
    ›Tiens‹, sagte sie. ›Da sind Sie ja, Monsieur Raoul.‹
    Ich kann die Art, wie sie das sagte, nicht beschreiben. Für Annette hatte ich nie aufgehört, Raoul zu sein. Aber Felicie hatte mich, seit wir uns als Erwachsene wiedergetroffen hatten, immer mit ›Monsieur Raoul‹ angeredet. Aber die Art, wie sie es jetzt sagte, war ganz anders – so, als ob das ›Monsieur‹, leicht übertrieben ausgesprochen, sie irgendwie amüsierte.
    ›Ach, Felicie‹, stammelte ich. ›Sie sehen heute ganz anders aus. Woher kommt das?‹
    ›So? Tue ich das?‹, fragte sie nachdenklich. ›Das ist komisch. Aber seien Sie nicht so feierlich, ich werde Sie wieder Raoul nennen. Spielten wir nicht als Kinder zusammen? Damals war das Leben noch freundlicher. Lassen Sie uns von der armen Annette sprechen – sie ist tot und begraben. Wo mag sie nur sein, ob im Fegefeuer oder wo, ich möchte es zu gern wissen.‹
    Und sie trällerte etwas von einem Lied, nicht sehr deutlich, aber die Worte ließen mich aufhorchen.
    ›Felicie‹, rief ich aus. ›Sie sprechen Italienisch?‹
    ›Warum denn nicht, Raoul? Ich bin gar nicht so dumm, wie ich immer tue.‹ Sie lachte über meine Verwunderung.
    ›Ich verstehe nicht…‹
    ›Dann will ich es dir erzählen. Ich bin eine sehr gute Schauspielerin, obwohl das niemand vermutet. Ich kann viele Rollen spielen – und ich spiele sie gut.‹ Wieder lachte sie und lief rasch aus dem Zimmer, bevor ich sie aufhalten konnte.
    Ehe ich abfuhr, sah ich sie wieder. Sie war in einem großen Sessel eingeschlafen. Sie schnarchte laut. Ich blieb stehen und beobachtete sie, fasziniert, doch innerlich abgestoßen. Plötzlich wachte sie auf und fuhr hoch. Ihr Blick, stumpf und leblos, traf den meinen.
    ›Monsieur Raoul‹, stammelte sie mechanisch.
    ›Ja, Felicie, ich muss jetzt gehen. Möchten Sie mir nicht noch einmal etwas vorspielen, bevor ich gehe?‹
    ›Ich? Spielen? Sie machen sich über mich lustig, Monsieur Raoul.‹
    ›Aber Sie haben mir doch heute Morgen etwas vorgespielt. Erinnern Sie sich nicht mehr?‹
    Sie schüttelte den Kopf.
    ›Ich, gespielt? Wie kann ein armes Mädchen wie ich Klavier spielen?‹
    Sie hielt einen Moment inne, als ob sie über etwas nachdächte. Dann winkte sie mich näher zu sich heran. ›Monsieur Raoul, hier in diesem Haus geschehen merkwürdige Dinge. Sie denken sich Betrügereien und üble Scherze aus. Sie verstellen ihre Uhren. Ja, ja, ich weiß genau, was ich sage. Und alles ist ihr Werk.‹
    ›Wessen Werk?‹, fragte ich verblüfft.
    ›Das von Annette – dieser bösen Hexe! Als sie noch lebte, hat sie mich immer gequält. Jetzt, da sie tot ist, kommt sie von den Toten zurück, um mich zu quälen. Sie war schlecht, durch und durch schlecht, glauben Sie mir!‹
    Ich starrte Felicie an und konnte sehen, dass sie entsetzliche Angst hatte. Ihre Augen traten aus dem Kopf hervor.
    ›Sie war schlecht. Sie würde Ihnen das Brot vom Mund wegreißen und die Kleider vom Körper – und die Seele aus dem Leib…‹
    Sie presste mich plötzlich an sich.
    ›Ich habe Angst, hören Sie – Angst! Ich höre ihre Stimme, nicht in meinen Ohren – nein, hier in meinem Kopf!‹ Sie tippte sich an die Stirn. ›Sie will mich aus mir selber vertreiben – mich ganz aus mir selber vertreiben, was soll dann aus mir werden?‹
    Ihre Stimme hatte sich fast zum Schreien erhoben. Aus ihren Augen starrte die animalische Angst eines todwunden Tieres… Plötzlich lächelte sie, ein freundliches Lächeln voller Schlauheit, aber etwas war an diesem Lächeln, das mich erschauern ließ.
    ›Wenn es einmal soweit kommt, Monsieur Raoul… Ich bin sehr stark mit den Händen – ich habe sehr starke Hände…‹
    Ich hatte niemals vorher mit Bewusstsein ihre Hände angesehen. Ich sah sie jetzt an und erschrak gegen meinen Willen. Untersetzte, gedrungene, brutale Hände und – wie Felicie gesagt hatte – ungewöhnlich kräftig… Ich kann Ihnen die

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