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Der kalte Schlaf

Der kalte Schlaf

Titel: Der kalte Schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Hannah
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ist neu – die Arbeit des heutigen Tages. Verdutzt runzle ich die Stirn. Ist das Stück nun abgesetzt oder nicht? Luke und Mrs Truscott denken, dass es abgesetzt ist. Weiß Dinah es besser? Verlässt sie sich darauf, dass ich die Situation rette? Hat sie deswegen die Besetzungsliste auf ihrem Vorhang befestigt, wo sie mir ins Auge fallen muss?
    »HEKTOR UND SEINE ZEHN SCHWESTERN« steht da, in Großbuchstaben. »DIE FIGUREN UND IHRE DARSTELLER. Hektor: Thaddeus Morrison. Hektors Mutter: Miss Emerson.« Ich lächle. Dinah wollte nicht in Miss Emersons Klasse, aber sie ist nicht schlecht damit gefahren. Mr Cornforth wäre längst kein so williger Sklave gewesen.
    Ich schaue mir die Namen der anderen Figuren an: Rosie, Pinky, Erdybeer, Kirsche, Perlmutt, Sunset, Bonbon, Beere, Flossy und Taramosalata. Vermutlich Hektors Schwestern, die von der Farbe Rosa besessen sind. Ihre Obsession hat sich in ihren Namen niedergeschlagen.
    Als ich mich hinabbeuge, um Dinah auf die Wange zu küssen, erstarre ich. Könnte es nicht sein …
    Nein, es gibt keinen Grund, das anzunehmen.
    Doch. Gibt es.
    Ich bin aufgeregt und weiß nicht, ob es einen Grund dafür gibt. Soll ich Luke aufwecken?
    Ich sollte mir erst einmal einen Tee machen und ihn trinken, in aller Ruhe prüfen, ob ich wirklich glaube, dass ich deswegen Lukes Nachtruhe stören sollte, aber dafür bin ich zu unruhig.
    Ich laufe nach unten, in ein Zimmer, das stickig vor Schlaf ist, was die Kinderzimmer nicht waren. »Luke, wach auf.« Gleichzeitig ein Flüstern und ein Befehl.
    Keine Reaktion. Ich schüttle ihn. Er schlägt die Augen auf. »Was ist denn los?«
    »Könnte es nicht sein, dass es Überschriften sind? ›Lieb – Grausam – Liebgrausam‹, die Wörter waren alle großgeschrieben. Ein großes L in Lieb, ein großes G in Grausam. Erinnerst du dich, als ich es dir erzählte, sagte ich, warum sollte jemand das so schreiben, wenn es keine Titel sind, oder Namen? An Überschriften habe ich dabei gar nicht gedacht, aber da war so ein großer Abstand zwischen den Zeilen … Könnte es nicht sein, dass der Schreiber vorhatte, die Zwischenräume mit … irgendwas zu füllen? Namen von Leuten, vielleicht – lieben und grausamen.« Was könnte es sonst noch sein? Dinge, die jemand getan hat – das ist das Einzige, was mir einfällt. Ich könnte meine eigenen Handlungen in gute Taten, schlechte Taten und solche aufteilen, die irgendwie dazwischen liegen.
    Würde ich aber nicht machen. Das würde niemand.
    Luke setzt sich auf, lehnt sich gegen das Kopfteil und reibt sich die Augen. »Ja«, stimmt er mir zu, einen Tick zu begeistert. Ich werde böse. Er hat erst ein einziges Wort gesagt und hört sich bereits an wie jemand, der unter erschwerten Bedingungen sein Bestes gibt. »Doch, es könnten Überschriften sein. Aber …«
    »Für eine Erleuchtung ist es ziemlich mau, das ist mir schon klar, aber es ist doch wenigstens was, oder?«, verteidige ich mich. »Ich sollte es der Polizei mitteilen.«
    »Es ist mitten in der Nacht, Amber«, sagt Luke sanft. »Ich muss schlafen. Erwähne es gegenüber der Polizei, wenn du willst, aber … um ehrlich zu sein, wenn dir der Gedanke gekommen ist, ist er ihnen sicher auch schon gekommen.«
    »Stimmt ja, tut mir leid, ich vergaß – alle Gehirne bringen ja dieselben Gedanken hervor. Deshalb war Einstein auch nicht der Einzige, der mit der … der …« Oh, verdammt.
    »Der Relativitätstheorie?«, schlägt Luke vor und grinst schläfrig.
    »Ja. Deswegen sind auch alle seine Freunde und Nachbarn in Berlin genau zur selben Zeit auf dieselbe Theorie gekommen.«
    »Berlin?«
    »Falsch?«
    »München, Zürich. Einstein ist viel rumgekommen.«
    Es gibt keinen Grund, warum ich das wissen müsste. In der Schule habe ich alle naturwissenschaftlichen Fächer und Mathe gehasst, ich habe sie abgewählt, sobald ich konnte. Meinen Abschluss habe ich in Kunstgeschichte. Offen gestanden kann Einstein von Glück sagen, dass er überhaupt von mir erwähnt worden ist.
    »Überschriften werden normalerweise unterstrichen«, sage ich. »Sie werden die Verbindung nicht notwendigerweise hergestellt haben. Ich habe es auch erst getan, als ich Dinahs Besetzungsliste sah. Sie hat die Überschriften großgeschrieben, statt sie zu unterstreichen.«
    Luke wirkt nicht überzeugt. Ich habe Angst davor, das Gespräch zu beenden, wieder allein zu sein. »Ich kann es ebenso gut der Polizei sagen«, meine ich. »Morgen bin ich sowieso da.« Und ich werde mir vorkommen

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