Der Katalysator
führen. Man müßte jetzt mit Erwachsenen arbeiten.“
„Inzwischen haben wir aber zumindest die Grundlage für eine Patentanmeldung über die Trialin-Behandlung von Novarella“, meinte Paul.
In gewisser Hinsicht war es ein Triumph. Er hatte der Medizin und womöglich der menschlichen Rasse einen wirklichen Dienst erwiesen.
Was er dabei fühlte? Er fühlte gar nichts. Es war zu grotesk. „Wir sollten Johnnie informieren.“
Er dachte an den Tribut, den Novarella alljährlich forderte. Mehr als eine Million Tote im Jahre 2005. An der Ostküste von Indien sterben sie wie die Fliegen. Welche Ironie. Billys Tod kann ihnen jetzt vielleicht das Leben schenken. Und dennoch – ihm waren sie gleichgültig. Eine Million. Zehn Millionen. Er würde sie alle sterben lassen, wenn es Billy zurückbrächte. Denn wer von ihnen konnte Billy ersetzen? Mein Gott, wie abscheulich ich bin! dachte er.
Er gestattete nicht, daß seine Gedanken im Zusammenhang mit der Erschaffung des Hybriden und dem Novarella-Test sich vollständig kristallisierten. Es war irgend etwas daran, das ihm Unbehagen verschaffte. War es die Tatsache, daß er mit heiligen Vorgängen des Lebens herumgespielt hatte? Daß er die Schöpfung eines Lebens, das seinem eigenen sehr ähnlich war, in grauenhafter Weise satirisch karikiert hatte? Nein. Eigentlich nicht. Wenn er jemanden um Verzeihung zu bitten hatte, dann nicht Gott oder Kussman, sondern Lilith.
Was ihm immer wieder durch den Kopf ging, war dies: Sogar im Laboratorium konnte man Leben erschaffen. Und mit natürlichen Verfahrensweisen mußte es noch einfacher sein.
Und was konnte den Tod besiegen? Nur die Erneuerung des Lebens konnte den Sensenmann mit der Kapuze überwinden. Hier lag irgendwo die Antwort, die Entgegnung auf Billys Tod. Und eines Tages würde er sie finden.
Wieder mußte er an Mary Derringer denken. Irgendwie schien jeder Gedankengang am Ende zu ihr zu führen. Das allein war schon verwirrend. Was hatte Mary mit diesen Fragen nach Leben und Tod zu tun?
Mukerjees Experiment hatte ein interessantes Nachspiel. Serane führte ein paar Telephongespräche mit Washington und Mukerjee erhielt ein Angebot vom Nationalen Gesundheitsinstitut. Man wollte, daß er dort das neue Novarella-Programm leitete, bei dem hauptsächlich die Wirkung von Trialin und seinen Derivaten erforscht werden sollte. Der Jahresetat dafür betrug anderthalb Millionen Dollar. Mukerjee dachte an Lilith und war unschlüssig. Serane telephonierte mit einem verblüfften Hedgewick (der bei dieser Gelegenheit zum ersten mal von dem mittlerweile berühmten Experiment hörte), und das Problem war rasch gelöst.
Das Gibbonweibchen begleitete den Biologen in den Süden zu seiner neuen Wirkungsstätte. Und hundert Gramm aktives Trialin.
21
Eine plötzliche Erbschaft
Eines frühen Morgens im Juli kam Paul in Marggolds Büro. „Ist er heute hier?“ fragte er Evelyn Haslam.
„Jaa.“ Ihre Stimme klang seltsam.
Erst jetzt bemerkte er, daß sie sich mit einem Taschentuch die Augen betupfte. Offenbar hatte sie geweint.
„Evelyn …?“ Er trat einen Schritt auf sie zu, und dann sah er, daß sie anscheinend auf ein Schmuckstück starrte, das vor ihr auf dem Schreibtisch lag. Oder war es eine Armbanduhr? Ja, eine Uhr: einer von diesen neuartigen, sehr teuren Hirnstromweckern, die auf die Gehirnwellen des Besitzers eingestellt wurden und dessen Gehörzentrum („Wach auf, Evelyn, es ist sieben Uhr … wach auf … wach auf …“) Mit jeder beliebigen Stimme.
Jetzt hatte sie ihre Beherrschung wiedererlangt. „Es ist schon gut“, flüsterte sie. „Er ist gerade
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