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Der Komet

Der Komet

Titel: Der Komet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Stein
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British Raj has made in its arduous struggle against economic underdevelopment.« (An dieser Stelle lehnte Barbara ihren Lockenkopf an Alexejs Schulter und stibitzte ihm heimlich eine weitere Kokoskugel.)
    FÜNFTER BEITRAG : Augusta I. empfängt im Schloss von Berlin auf der Spreeinsel eine Delegation des Hererovolkes. Mit charmantem Lächeln nimmt die Kaiserin eine Herero-Tracht entgegen und lässt sich von einem älteren Herrn, der die Delegation leitet, einen breiten, buntgestreiften Hut auf den Kopf setzen. Die Kaiserin, so der unsichtbare Kommentator, erfreue sich bei den Herero hohen Ansehens, seit durchgedrungen sei: Sie setze sich zumindest in camera dafür ein, dass der Reichskanzler offiziell für einen Völkermord um Entschuldigung bitten soll, den die Deutschen vor bald hundert Jahren in Deutsch-Südwestafrika begangen haben. (An dieser Stelle biss Barbara Alexej sehr zart ins Ohrläppchen.)
    SECHSTENS , aus der WELT DER TECHNIK : Ein langhaariger Finne aus Karelien mit Zottelbart hält seine jüngste Erfindung in die Kamera – ein tragbares, von einer Batterie betriebenes Telefon. »Eines Tages wird man sich damit von jedem Ort der Welt ins gewöhnliche Telefonnetz einwählen können.« Der Finne nennt seine Erfindung: matkapuhelin. Ins Deutsche ist dieses Wort wahrscheinlich gar nicht übersetzbar. Der unsichtbare Berichterstatter meint: Immerhin beweise dies, dass es auch im verschlafenen Zarenreich moderne technologische Errungenschaften gebe. (»Wir haben sogar Wasserklosetts!«, murmelte Alexej finster.) Freilich ist das, was der Finne ihnen da entgegenstreckt, eine klobige, viereckige Scheußlichkeit mit Tasten anstelle einer Wählscheibe. (Barbara streckte die gespreizten Hände in Richtung Leinwand und verkniff ihre Lippen in einer dermaßen übertriebenen Grimasse der Abscheu, dass Alexej laut lachen musste.)
    SIEBTENS , der HEITERE AUSKLANG : Gräfin Ildikó von Andrássy, die Außenministerin von Österreich-Ungarn – eine bekennende Lesbierin, die sich ihr dichtes weißes Haar zur Bürste schneiden lässt –, ist von einem hinterhältigen Fotografen dabei abgelichtet worden, wie sie mit ihrer langjährigen Gefährtin in klobigen Gummistiefeln ein paar Birnbäume pflanzt, Unkraut jätet und Steine auf eine Schubkarre lädt, also kurz und banal: wiesie auf ihrem Landgut in Westtransdanubien ein bisschen Gartenarbeit verrichtet. Kühler Kommentar der Außenministerin: »Wenigstens hat mich der Herr nicht im Badeanzug erwischt.« (Auf den billigen Rängen im Kinosaal wurde heftig durch die Finger gepfiffen.) Im besten Diplomatenfranzösisch fügt Gräfin Andrássy hinzu: »Il faut cultiver notre jardin.«
    Dann begann der Hauptfilm (die ersten Take der Jupitersymphonie ertönten, ein Einhorn tänzelte heran, über ihm entfaltete sich der Schriftzug: Rosenhügel-Studios Wien. ) Der Hauptfilm ließ nicht das Mindeste zu wünschen übrig. Wilde Kampfszenen und kaltheiße Küsse; eine herrliche Verfolgungsjagd mit schnellen Booten auf der Donau. Naturgemäß gab es auch einen Finsterling, denn hinter der Verschwörung steckte – wer hätte das gedacht – ein böser Mister X, ein amerikanischer Plutokrat aus Virginia, der die Donaumonarchie zerschlagen wollte, damit Amerika endlich zur Großmacht aufsteigen konnte. »Von der Humanität über die Nationalität zur Bestialität!« Hatte das nicht schon Franz Grillparzer gesagt? Am besten gefiel Alexej, dass Julia Wallach als brünette Heldin des Films mehrmals in ernsthafte Gefahr geriet: Dunkle Schatten lauerten ihr auf, sie watete durch Kanalröhren, in denen die Abwässer rauschten und die Ratten flitzen, endlich fand sie sich auf einen Stuhl gefesselt wieder, während der Finsterling (er hatte viele Aliasse, hörte aber eigentlich auf den Namen Wilson Woody) sich in unguter Absicht über sie beugte. All diese Bedrohungen hatten zur Folge, dass Barbara immer drängender Schutz bei ihm suchte, sie knöpfte Alexej das Hemd auf, um ihre grazil-kräftige Hand auf seine männliche (allerdings gänzlich unbehaarte) Beschützerbrust zu legen; am Ende wäre sie ihm beinahe als Ganze unter das Hemd gekrochen, jedenfalls versteckte sie ihren Kopf dort: »Sagmir, wann ich wieder hinschauen kann«, bat sie. Alexej gab Entwarnung, als endlich Max von Winterstein auftauchte und seines Amtes als Filmheld waltete, er streckte Mister X mit einem Faustschlag in den Solarplexus nieder, während der gerade etwas vom »Selbstbestimmungsrecht der Nationen« faselte,

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