Der Kult - Cordy, M: Kult - The Colour of Blood
gesund?«
» Ja«, sagte Fox.
» Ist sie mental gefestigt, einmal abgesehen von ihrem Gedächtnisverlust?«
» Ich denke schon, aber …«
» Können Sie ihre Amnesie heilen, Dr. Fox?«
» Nicht direkt, nein. Aber wir können sie dabei unterstützen, ihre Erinnerungen wiederzuerlangen. Wenn Sie uns sagen, warum sie Ihrer Meinung nach verschwunden ist, können wir aufdecken, was ihre Amnesie ausgelöst hat. Irgendetwas muss ihr große Angst gemacht haben. Wissen Sie, was das gewesen sein könnte? Haben Sie eine Ahnung, warum sie versucht haben könnte, dem Kult zu entfliehen?«
Delaney schüttelte den Kopf. » Sie ist vor gar nichts geflohen. Schließlich ist sie kein Kind mehr, und wie alle von uns kann sie kommen und gehen, wie sie möchte.« Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. » Ich bin der Grund, warum sie uns verlassen hat.«
» Wieso?«
» Sie würde wohl sagen, ich habe sie vernachlässigt, ihr nicht die Aufmerksamkeit geschenkt, die sie verdiente. Also lief sie davon in der Hoffnung, dass ich ihr nachlaufe.« Er seufzte. » Und hier bin ich. Es ist nicht immer leicht, ein guter Vater zu sein, besonders wenn alle einen als solchen betrachten.«
» Sie betrachten sich als ihr Vater, weil sie der Anführer Ihres Kults sind?«, fragte Fullelove. » Der Vater der Indigo-Familie?«
» Ja, aber ich bin auch ihr wirklicher Vater. Sie ist meine Tochter.«
Fox suchte in Delaneys Gesicht nach einer Ähnlichkeit. Sein ergrautes Haar war einmal dunkel gewesen, aber Jane Doe war blond. » Wären Sie bereit, einen DNA -Test zu machen?«, fragte er.
» Ist das wirklich notwendig, Professor?«, fragte der Besucher und richtete die gesamte Macht seines Charmes auf Fullelove. Die blinzelte und sah Fox an. An ihrem Welpenblick erkannte dieser, dass sie keinen Augenblick an der Aufrichtigkeit ihres Besuchers zweifelte. Ihm ging es da anders.
» Professor, meine Patientin macht gute Fortschritte, aber sie ist noch immer sehr verletzbar«, sagte Fox. » Wenn Mr Delaney sich nicht ausweisen kann, ist ein Vaterschaftstest unvermeidlich.« Er wandte sich wieder an den Fremden. » Selbst wenn das Testergebnis positiv ist, muss sie noch immer zustimmen, Sie zu sehen. Sie hat eine totale retrograde Amnesie und keinerlei Erinnerungen an ihr früheres Leben. Es ist also äußerst unwahrscheinlich, dass sie weiß, wer Sie sind.«
Wieder verkrampften sich Delaney Kiefermuskeln, aber sein Lächeln blieb unverändert. » Machen Sie mit mir welchen Test auch immer Sie für notwendig halten. Ich möchte einfach nur meine Tochter sehen.«
28
Fox hatte eine Speichelprobe von Delaney genommen und brachte ihn nun wieder zurück zum Eingang. Auf dem Weg dorthin machte er einen kleinen Umweg an dem Raum vorbei, an dem Jane Doe an ihrem ersten Tag die beiden Selbstmorde gesehen hatte. Er war noch immer unbewohnt, und so öffnete er die Tür und führte Delaney hinein. » So sehen übrigens die Zimmer aus, in denen wir unsere Patienten unterbringen.«
» Ich zweifle nicht daran, dass Ihre Patienten hier gut aufgehoben sind, Dr. Fox. Ich möchte nur meine Tochter sehen.« Fox beobachtete den Besucher genau, als dieser durch die Tür ins Zimmer trat. Delaney warf einen Blick ins angrenzende Badezimmer, und als seine Hände die Wände berührten, schien es, als verengten sich seine Augen für einen kurzen Moment zu schmalen Schlitzen. Dann war der Moment auch schon wieder vorbei. Wenn dieser Mann die gleiche Todesecho-Synästhesie besaß wie die Frau, von der er behauptete, sie sei seine Tochter, dann beeinflusste diese Fähigkeit ihn nicht im selben Maße. Jedenfalls jagte sie ihm eindeutig keine Angst ein. Fox wartete noch einen Augenblick länger, dann führte er den Besucher zurück zur Eingangshalle.
Nachdem er sich Delaneys Handynummer aufgeschrieben und zugesagt hatte, ihn anzurufen, sobald die Ergebnisse des Vaterschaftstests vorlagen, ging Fox zurück in sein Büro. Dort versuchte er, Jane Doe für eine Weile zu vergessen und sich auf die anderen Patientenakten zu konzentrieren, die sich auf seinem Tisch stapelten. Mal angenommen, die Ergebnisse des Tests wären positiv, dann müsste er sie darüber in Kenntnis setzen, dass ihr Vater gekommen war, um sie abzuholen. Und je nachdem, wie sie sich entschied, würde sie schon bald aus seinem Leben verschwinden. Wäre nicht länger seine Patientin. Nicht länger sein Problem.
So einfach.
Nur, dass es nicht einfach war. Jane Doe war anders
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