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Der letzte Karpatenwolf

Der letzte Karpatenwolf

Titel: Der letzte Karpatenwolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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hellodernden Flammen tanzte.
    Stepan Mormeth war nicht mehr unter ihnen. Der Feldwebel hatte ihn zur Nachtwache eingeteilt. Mormeth sah dies als eine Schikane an … aber er war machtlos. Befehlen muß man gehorchen … oder man kommt in eine Strafkompanie und muß Steine aus den harten Felsen brechen, um damit Straßen zu bauen.
    Wütend saß er in dem Wachlokal und lauschte auf die Klänge der Musik, die in Fetzen zu ihm hinüberflatterte. Wenn der Wind günstig stand, hörte er sogar das helle Mädchenlachen. Das machte ihn rasend vor Sehnsucht. Sonja, dachte er. Oh, wenn ich jetzt draußen wäre bei den Feuern. Niemand sollte mich mehr halten, dich zu küssen und dich mitzunehmen in die schwarzen Schatten der Ställe und in das Stroh, das so warm ist und so herrlich raschelt.
    Stepan Mormeth nagte an der Unterlippe und verwünschte den Feldwebel, die Miliz, alle Bauern, den Popen und vor allem die Russen. Er ging zum Fenster, sah hinaus und starrte auf die zuckenden hellen Flecke am Himmel. Dort brannten die großen Feuer, dort saßen die Musikanten, dort trank man Wein und küßte sich. Dort … dort … Er brach seine Gedanken ab.
    »Ihr Lumpen!« sagte Mormeth laut. »Nur weil ich ein Zigeuner bin!«
    Aber seine Wut war nicht allgewaltig … in ihr schwang die jahrhundertealte Trauer seiner Rasse mit.
    Hinter den Feuern, bei Mihai Patrascu und Anna, die am Tisch saßen und zuschauten, stand Sonja. Sie hatte stundenlang getanzt. Jetzt schmerzten die Füße, das Herz zuckte, der Kopf brummte, und in den Schläfen pochte es wie mit kleinen Hämmern.
    Von dem Vorfall mit Stepan Mormeth hatte sie niemandem erzählt. Sie hatte Angst, daß Mihai sofort zur Wachstube ging und Stepan zusammenschlug. Es würde dann eine lange Untersuchung geben. Der Kommissar würde aus Bacau kommen, von einer ›Konterrevolution der Bauern‹ schreien und neue Einschränkungen verkünden. Es wurde ja nicht besser dadurch … wer heute eine Uniform trug, hatte immer recht. Darin unterschied sich Rumänien nicht mehr von anderen Ländern.
    Kurz bevor der alte Patrascu gehen wollte und die letzten Schlucke Wein trank, kam eine große, zottelige Gestalt an den Feuern entlang. Sie nickte nach allen Seiten, grinste dumm und schnalzte mit den Fingern. Die Bauernburschen lachten und winkten.
    »Seht, da kommt der blöde Grigori!« riefen sie. »Mädchen, nehmt ihn und schwenkt ihn herum!«
    »Er hört ja keine Musik!«
    »Aber er fühlt, wo die Körper rund sind!«
    »Gebt dem blöden Brüderchen ein Küßchen. Davon träumt er bis zum nächsten Osterfest!«
    »Seht nur, ihr Weiberchen, wie stark er ist. Wie ein Bär. Diese Muskeln! Diese Brust! Diese Beine! Dieser Kopf! Nur ein bißchen blöd ist er … sonst ist alles dran!«
    Die jungen Burschen lachten, die Mädchen kreischten. Der alte Pope machte ein strafendes Gesicht.
    Paul Herberg tappte grinsend an den Tanzenden vorbei. Er war ja taubstumm. Er grüßte den Popen mit einer tiefen Verbeugung und einem Handkuß, er lachte, als ein übermütiges Mädchen an seinem zotteligen Bart zupfte, und schlug ihm auf das Gesäß. Es kreischte auf, denn was Liebkosung sein sollte, war schmerzhaft bei solch einem Riesen von Mann.
    Im Schatten stand der alte Arzt Georghe Brinse. Er rauchte eine Zigarre, die er sich jeden Monat einmal aus Bacau holte, wenn er Medikamente bei der staatlichen Sanitätsstelle einkaufte und seine Gesundheitsberichte beim Genossen Distriktsarzt ablieferte.
    Der blöde Grigori stampfte auf Georghe Brinse zu. Keiner beachtete ihn mehr … als er aus dem Feuerkreis getreten war, ging der Tanz weiter, wilder als zuvor, denn der Wein stieg in die Hirne und zauberte Liebesstärke in die Glieder.
    Brinse musterte den blöden Grigori mißtrauisch und fragend. Er trat mehr in den Schatten der Kirche zurück und winkte dem Hirten mit dem Kopf.
    »Was ist?« flüsterte er. »Wieder Russen in den Bergen?«
    »Ein deutscher Kamerad!«
    »Bei dir? In der Hütte?«
    »Ja.«
    »Bist du wirklich verrückt?«
    »Er ist schwer verletzt. Ein Wolf hat ihn gerissen. Du mußt kommen, Doktor. Sofort kommen!«
    »Weiß er, wer du bist?«
    »Ja.«
    Georghe Brinse nickte. Er sah hinüber zu den Tischen, den Feuern, den Tanzenden und den Musikanten. »Ich komme. Geh voraus und warte beim Aufstieg auf mich. Ich bringe noch jemanden mit.«
    Paul Herberg schüttelte den Kopf. »Nein! Keine weiteren Mitwisser! Nur du weißt, daß der blöde taubstumme Grigori …« Er sprach nicht weiter. Der Pope ging an

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