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Der letzte Karpatenwolf

Der letzte Karpatenwolf

Titel: Der letzte Karpatenwolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Sprüngen im Schatten der Scheune den Feldern zu. Er rannte um sein Leben … hinter sich hörte er die Stimmen der russischen Soldaten … jetzt schießen sie, dachte er. Jetzt … jetzt … Aber nichts geschah.
    Auf der Bergweide standen die Schafe wieder in den Hürden. Die Hütte lag dunkel, wie ein großes Nest an die Felswand geklebt. In den Bergen, weit entfernt, brach sich das Heulen streunender Wölfe zwischen den Felsen.
    Michael taumelte den Hang hinauf. Er wurde nicht verfolgt, das hatte er in den zwei Stunden Flucht gemerkt. Aber die Angst, die Russen könnten vom Dorf aus weiter in die Umgebung ziehen und suchen, trieb ihn vorwärts.
    Was mache ich, wenn Paul Herberg nicht bei der Herde ist? dachte er, während er auf die dunkle Hütte zurannte. Wieder in die Schluchten hineinflüchten, wieder monatelang oder gar Jahre in Höhlen und von Beeren, Wurzeln und in Schlingen gefangenen Hasen leben?
    »O Gott! O Gott!« stöhnte er und blieb stehen. Er sah hinüber zu dem dunklen Fleck an der Felswand. Er ist nicht zu Hause, dachte er. Selbst die Hunde bellen nicht! Er hat sie mitgenommen.
    Seine Beine wurden schwach. Er hielt sich an einem Pfahl der Hürde fest und legte den Kopf auf den Unterarm. Mühsam bezwang er den Drang zu weinen. Sein Herz flatterte vor Erschöpfung.
    So blieb er eine Weile stehen. Hinter ihm drängten sich die Schafe und stießen mit ihren harten Köpfen gegen seine Hüften und die Schenkel. Er spürte es nicht.
    Warum ist das Sterben so schwer, dachte er. Warum hat man nicht den Mut, den Russen entgegenzugehen und sich erschießen zu lassen? Warum hängt man so an diesem Leben? Warum bloß?! Was ist denn das für ein Leben? Es lohnt sich doch nicht mehr zu leben. Aber man ist zu feig, es wegzuwerfen. Man läuft vor dem Ende davon … man klammert sich an dieses bißchen Atmen, an dieses Auf- und Untergehen der Sonne, an dieses Hinvegetieren in Höhlen und unter Büschen, auch wenn es noch so sinnlos geworden ist.
    Als sich sein Atem etwas beruhigt hatte, ging er weiter, auf die Hütte zu. Vor der Tür hing kein Schloß. Sie war von innen verschlossen. Paul Herberg war da!
    Mit beiden Fäusten trommelte Michael gegen die dicke Bohlentür. Im Inneren der Hütte heulten die Hunde auf … bellend und kreischend sprangen sie gegen die Tür, als stehe ein Wolf draußen. Seitlich der Tür sprang eine Klappe auf, ein Gewehrlauf schob sich durch diese Art von Schießscharte.
    »Oheioheiohei!« schrie der blöde Grigori. »Wawawa … Dudududu …«
    »Ich bin es! Michael Peters. Mach auf, Paul!« Er griff von der Seite an den Gewehrlauf und schüttelte ihn. »Ich bin allein! Ich … ich …«
    »Stoj!« brüllte von innen Paul Herberg. »Stoj, ihr Sauhunde!«
    Ein Balken krachte von innen zur Seite, die Tür schwang nach innen auf. Groß, zottelig wie immer, das Gesicht nur Haare und Bart, stand Paul Herberg auf der Schwelle, das Gewehr in der Hand. Als er sah, daß Michael allein war, zog er den Erschöpften in die Hütte, warf die Tür wieder zu und schob den Schließbalken davor. Die Hunde hatten sich unter den Tisch verkrochen … ihre Augen flimmerten durch die Dunkelheit zu Michael hin. Ihr heißes Hecheln war das einzige Geräusch in der schwarzen Stille.
    Michael hielt Paul Herberg umklammert, als habe er Angst, umzufallen, wenn er sich nicht an ihm festhielt.
    »Sind sie hinter dir her?« fragte Herberg in die Stille hinein.
    »Nein – die Russen haben eine Dorfdurchsuchung gemacht. Da mußte ich weg. Aber gesehen hat mich keiner.«
    »Bestimmt nicht?«
    »Bestimmt.«
    »Und nun?«
    Michael hob die Schultern. Herberg konnte es nicht sehen, aber er spürte das Zucken des Körpers. »Ich weiß nicht … Ich dachte …«
    »Hierbleiben? Bist du wahnsinnig?« Paul Herberg zündete eine Talgkerze an. Das matte Licht erhellte kaum die nahe Umgebung des Tisches, auf dem es stand. Wie Riesen klebten die Schatten des Ofens und des Bettes an den Wänden.
    »Ich werde dir Trockenfleisch mitgeben … Käse, ein paar Büchsen, eine Pistole und fünfzig Schuß, Wein und gepreßten Tee. Wasser findest du ja überall.«
    »Du schickst mich in die Felsen?«
    »Vorläufig. Man weiß nie, was die Russen vorhaben. Sie sind schneller hier, als wir glauben. Plötzlich stehen sie vor der Tür. Und was machste dann?«
    »Ich heb die Hände hoch! Endlich!« schrie Michael verzweifelt. »Ich kann nicht mehr in Höhlen leben! Ich werde wahnsinnig!«
    »Du mußt's wissen! Ich habe keine Sehnsucht, vor 'ner

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