Der Lüster - Roman
Gesicht gerötet und heiß:
»Der Körper … der Epoche ist tot … unter den Fenstern, die … aufgingen … aufgingen zum Rosa hin, Vicente!« Sie musste selbst lachen. Sollte sie aufhören?, fragte sie sich, denn sonst würde sie am Ende noch etwas sagen, das zu weit ging, Hallo, Herr Sohn, und damit sogar die Vergangenheit kaputtmachen. Doch er lachte über die Maßen belustigt, sie konnte nicht haltmachen, so faszinierend war es, sich geliebt zu fühlen. Er lachte hemmungslos, das machte ihn hässlicher, sein Gesicht offen – auf einmal wie Geschwister, wie aus derselben Familie, wie Leute, die nichts voneinander erwarten, mein Gott. Hätte sie nur früher gewusst, dass sie, um ihn zu erobern, bloß die Augen zu schließen und zu sprechen brauchte, hätte sie es nur gewusst. Eine gewisse Traurigkeit lag in den vor Lachen schimmernden Augen, als sie fortfuhr:
»Liebster – Liebster, grünes Blümchen auf der weißen Gitarre. Junge – Junge, grünes Blümchen im Licht des Mondes … im Licht des Mondes … im Licht des Mondes …«
»Also nein«, sagte Vicente begeistert und im Ernst, »nicht denken, das musst du tun, um ins Schwarze zu treffen, eben nicht denken …« Er lächelte. »Du bist ein bisschen die, die nachts ein Ständchen improvisieren, weißt du das?« Er wirkte auf einmal verwirrt. »Adriano wird sicher gerne erfahren, dass du diese Gabe besitzt.«
»Wieso?«, fragte sie schon weniger fröhlich.
»Nun ja, er findet dich eigenartig. Ich glaube, er mag dich ziemlich«, antwortete er und wechselte fast einen Blick mit ihr darüber, wie verblüffend dieser Umstand war.
Ja, es war wie eine Nacht, in der alles strahlte. Sie lachte leise, sanft, die Augen voller Feuchtigkeit, bewegt und träumerisch. Als er sie ansah, spürte Vicente das Herz nachgeben, ein süßer, lauer und erstickender Schaum umhüllte ihn, seine Augen lächelten und wurden fügsam. Sie schaute – er war nie so schön gewesen. Mit einnehmender und schlichter Stimme sagte er, ihr leicht ins Gesicht hauchend:
»Ich liebe dich, Kleines.«
Kaum hatte er das jedoch ausgesprochen, ohne etwas an der Kraft im Gesicht zu ändern, ja, obwohl er versuchte, sie zu bewahren, um frei dem neuen Gefühl folgen zu können, stellte er unmerklich fest, dass er sie nicht liebte, dass er sie vielleicht nur in genau dem Moment geliebt hatte, bevor er sagte: Ich liebe dich. Zornig auf sich selbst, wollte er das Gesagte zurückziehen, während er Virgínias Gesicht beobachtete, das so verwundert und durchscheinend war. Ob er das wohl zum ersten Mal sagte?, fragte er sich mit Überraschung und Tadel. Er hatte zu viel gesagt, zu viel, dachte er und musterte sie müde und bekümmert.
»Dir fallen die Haare ins Gesicht«, sagte er mit verdeckter Schroffheit. Und sagte damit von neuem, dass es keine Liebe war. Aber er spürte fast ungeduldig, dass es jetzt unmöglich sein würde, ihr das »Ich liebe dich« zu rauben, und sie lächelte mit einer Freude, die sie unsympathisch machte, so ermüdend.
»Gehen wir raus, drehen wir eine Runde«, sagte er vernichtet.
Mit einer erschrockenen Bewegung fasste sie ihn bei der Hand und sagte: Nein, nein …, denn auszugehen hätte bedeutet, dass der Tag endete. Ohne sie zu begreifen, musterte er sie mit festem Blick, fragte: Warum? Da sie es nicht hätte erklären können, lächelte sie ihn an, mit einer lustigen Ausstrahlung, über die Maßen sympathisch und anziehend, verloren. Er konnte nicht aufhören zu lachen, sagte mit einem gewissen Maß an Stolz und Überraschung: Was für eine Frau …, und als er sich vorbeugte, um ihr Haar zu küssen, sog er den schwindligen, ernsten Duft ihres Körpers ein, etwas, das man nicht zu täuschen vermochte, küsste sie auf die Augen, die sich vor lauter Leben kaum schließen konnten; lehnte sein Gesicht fast traurig an diese Wange, die so frisch und klar war wie ein Blick.
»Virgínia.«
Später, als ihr klar wurde, dass sie bald würde gehen müssen, brannte eine Sicherung durch, der Wind vom Meer blies durch die dunklen Zimmer … Er zündete Kerzen an, sagte dabei:
»Also, ich muss jetzt noch diese letzte Seite übersetzen, ich hatte die Arbeit unterbrochen, bevor du kamst: Ich war sehr müde. Und ich muss morgen ganz früh aus dem Haus.«
Sie war damit ohne Beschäftigung und irrte ziellos durchs Wohnzimmer, das zu fliegen schien vor Wind. Dabei besah sie sich die Dinge von nahem, mit falschem Stirnrunzeln, berührte sie mit feinfühligen Händen,
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