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Der Mann aus Israel (German Edition)

Der Mann aus Israel (German Edition)

Titel: Der Mann aus Israel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Jardas
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Mann, der
sich sehr nahe zu mir gesetzt hat. Ich sehe sein Gesicht direkt vor, kann
seinen Atem fühlen. Ich fahre hoch und ohne ein Wort zu sagen, greife ich
meinen Rucksack und flüchte aus dem schwarzen Garten. Mein Herz klopft wie
verrückt, ich habe einen Augenblick große Angst gehabt.
    Plötzlich muss ich über mich selbst lachen, bis hinunter zur
Ampel an der Jaffa-Straße lache ich vor mich hin. Du bist vielleicht ein
Huhn, Elisabeth, murmle ich. Gerade hast Du mit Deinem Leben abgeschlossen,
bist entrückt in eine Metaebene der Leere und zwei Sekunden später bringt eine
sonore Männerstimme Dich zu einem Schweißausbruch. Elisabeth, Elisabeth, Du
hast neuerdings einen Hang zum Melodramatischen.
    Ich spaziere die Ben-Yehuda hinauf, die Cafés  links
und rechts der Straße sind leer, die Stühle hochgestellt, die Theken
unbeleuchtet. Auf der Straße bin ich ganz alleine. Es ist ein herrlich warmer
Sommerabend, erstaunlich mild für November. Wo sind denn nur die Menschen? Ich
bleibe einen Moment am Café Atara stehen, um durch die Scheiben nach
innen zu spähen, vielleicht sitzen die Leute drinnen, und wenn ich Glück habe,
erkennt mich jemand und ruft nach mir. Ich würde mich so gerne dazusetzen,
plaudern und versinken in lärmigen Gesprächen. Aber niemand meldet sich, das
Café ist geschlossen. Ich verstehe es nicht, wo sind denn all die Menschen, die
den Boulevard ansonsten bevölkern?
    Plötzlich fällt es mir ein, natürlich, es ist Freitagabend.
Der Schabat hat begonnen, das fromme Jerusalem sitzt längst zu Hause und betet.
Ich habe nicht einmal die Sirene gehört, die hier in der Stadt den Schabat
einläutet, genau in dem Moment, in dem die Sonne versinkt. Dann hält die Stadt
den Atem an, oder so gut wie, bis am Samstagabend erneut die Sirene ertönt und
den heiligen Tag verabschiedet. Fünf Minuten später sind die Cafés und die
Boulevards voller Menschen, Autos verstopfen die Straßen und in den Geschäften
wimmelt es von Einkäufern, als sei nichts gewesen. Schon eigenartig, überlege
ich, ich kenne keinen einzigen frommen Israeli. Ich lasse meine Freunde vor mir
Revue passieren, aber ich glaube nicht, dass einer von ihnen jetzt am
Familientisch sitzt, Gebete spricht und Schabes- Lieder singt. Alle, mit
denen ich befreundet bin, bekennen sich mit großer Emphase zu ihrer
Zugehörigkeit zum Volk der Juden und seiner Religion, aber mit der Religiosität
hapert es sehr. Ich möchte Schriftsteller sein, deshalb studiere ich
Bleistift antwortete mir Raffi auf meine dümmliche Aussage, wie überrascht
ich sei, dass er alles über das Judentum wisse, aber nicht fromm sei. 
    Mühsam schleppe ich mich weiter durch die dunklen
menschenleeren Straßen, das Kuvert mit dem Holzschnitt von Otto Guttmann halte
ich fest in der Hand. Ich werde es Raffael nicht zeigen, denke ich, das bleibt
mein Geheimnis. Ich weiß überhaupt nicht, wie ich ihm morgen früh
gegenübertreten soll. Ich werde meine Sonnenbrille aufsetzen, ansonsten wird er
mir meine Verwirrung sofort anmerken. Ich spüre jetzt schon seinen Laserblick.
    „Mengele-Einheit“. Mir will dieses Wort nicht aus dem Kopf.
Ich weiß nicht mehr genau, was dieser Doktor Mengele für Unmenschlichkeiten mit
wehrlosen Opfern angestellt hat, es rasen nur Bildfetzen von entstellten,
massakrierten, aufgequollenen Körpern durch meine Erinnerung. Was für ein
Schock muss das sein, wenn man erfährt, dass Menschen, denen man vertraut,
willentlich Gräueltaten begehen und sich ausgerechnet Dr. Mengele als Vorbild
wählen.
    Ich stehe mit einem Mal an der Ecke King-George und Bezalel ,
drei Minuten von meinem Hotel entfernt. Nur jetzt nicht in diese leeres Zimmer,
denke ich voller Schrecken. Für den Rest des Abends müssen Sie sich jüngere
Gesellschaft suchen. Genau, das werde ich, lieber Otto Guttmann. Ich gehe
ganz schnell Richtung Rehavia , zu Jason in die Arlosorow-Strasse. Diese Einladung hatte ich ganz vergessen. Sie werden schon alle da sein, Wein
trinken und rauchen und über die politische Situation diskutieren. Ich werde
mich unter sie mischen. Vielleicht gelingt es mir, mich abzulenken.
    Und richtig, schon vom Vorgarten aus höre ich laute Stimmen,
die Fenster sind offen. Ich bleibe einen Moment stehen und überlege, ob ich
nicht wieder umkehren soll. Ich verspüre überhaupt keine Lust auf Politik, auf
Gewerkschaft, auf endlose Debatten über den Friedensprozess. Die verlangte
Flasche Wein habe ich auch vergessen mitzubringen. Ich möchte so gerne mit

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