Der Mann im Schatten - Thriller
nicht bereits genommen hat?«
Pater Ben atmete langsam aus. Seine Augen forschten nach irgendetwas in meinem Gesicht, aber ich war mir nicht sicher, nach was. Ich tippte auf meine Uhr. »Ich muss das jetzt erledigen«, sagte ich. »Nochmal vielen Dank für Ihre Hilfe.«
Ich stieg die Treppe hinunter in den Versammlungsraum. Wie sich herausstellte, hatte Jim Stewart keinerlei Ähnlichkeit mit seinem Namensvetter. Der Mann war klein, gedrungen und hatte ein mürrisches Gesicht. Er trug sein Haar militärisch kurzgeschnitten und wirkte wie jemand, der nicht allzu viele Freunde hat. Bei seinem Job hatte er das womöglich wirklich nicht.
Ich dachte an den besten Film des berühmten Schauspielers, Mr Smith geht nach Washington. Ich hätte gerne eine Fortsetzung gesehen. Vielleicht Smith geht ins Gefängnis.
Oder Smith geht ins Leichenschauhaus.
»Ich habe ein Problem«, erklärte ich Jim Stewart. »Ich brauche Ihre Hilfe.«
38
Das italienische Deli und Cafe zwei Blocks vom Gerichtsgebäude entfernt war schon vor meiner Zeit als Staatsanwalt ein beliebter Treffpunkt gewesen. Die Inhaber, zwei sizilianische Emigranten um die sechzig, waren immer anwesend, plauderten mit den Gästen und erzählten Geschichten darüber, wie es früher in der Stadt zugegangen war, bevor die Bundesbehören angefangen hatten, den Korruptionssumpf trockenzulegen, Stadträte hinter Gitter zu schicken, betrügerische Machenschaften aufzudecken und ganz allgemein Licht in Bereiche der städtischen Verwaltung zu bringen, die bis dahin im Schatten gediehen waren.
In erster Linie wurde der Laden von Anwälten frequentiert, die am Strafgericht arbeiteten, aber auch Cops statteten dem Laden gerne einen Besuch ab - ungeachtet der exorbitanten Preise für Kaffee und Backwaren. Wie verabredet wartete Detective Denny DePrizio an der Theke, pünktlich auf die Minute um 10.30 Uhr an diesem schönen Freitagmorgen.
Unsere Blicke trafen sich, als ich das Cafe betrat, in der
Hand den Aktenkoffer, den Smith mir gegeben hatte. Er enthielt nach wie vor die zehntausend Dollar. Wie üblich hatten mich Smiths Leute verfolgt, und wie üblich hatten sie einen entsprechenden Abstand gewahrt. Ich ging nicht davon aus, dass sie mir zu Fuß folgen würden, es sei denn, es lag ein besonderer Grund vor, aber ich plante nicht, mich länger hier aufzuhalten.
Wenn meine Vermutung zutraf und Smith mit DePrizio unter einer Decke steckte, dann wussten sie ohnehin längst von diesem Treffen.
DePrizio saß am Tresen, genoss seinen Kaffee und hatte sein Jackett über den Nachbarsitz geworfen. Ich stellte mich neben ihn, als würde ich ihn nicht kennen. Dann platzierte ich den Koffer auf dem schmalen Sockel des Tresens neben seinen Füßen und beugte mich vor, um einen großen, schwarzen Kaffee zum Mitnehmen zu bestellen.
»Ist das der Koffer«, wollte er wissen.
Ich nickte. »Der einzige Gegenstand, den Smith berührt hat. Denken Sie, da sind Fingerabdrücke dran?«
»Schwer zu sagen«, erwiderte DePrizio. »Nicht sehr wahrscheinlich, aber in ein paar Tagen werden wir Genaueres wissen.«
Das entsprach in etwa dem Zeitrahmen, mit dem ich gerechnet hatte. Normalerweise gibt es eine ziemlich lange Wartezeit für die Analyse von Fingerabdrücken.
»Danke, dass Sie die Sache diskret handhaben«, sagte ich. »Ich glaube nicht, dass ich verfolgt werde, aber man weiß ja nie. Sind Sie einverstanden, wenn ich Sie in ein paar Tagen anrufe?«
»Klar, Kolarich.« Er machte keinen Hehl daraus, dass er meine Paranoia völlig übertrieben fand. Die geheime Übergabe
war natürlich meine Idee gewesen, aber er hatte sich gnädig dazu herabgelassen, mitzuspielen.
Ich schnappte mir meinen Kaffee, warf einen Dollar in die Tasse für Trinkgeld und verließ den Laden. Der Aktenkoffer stand immer noch zu DePrizios Füßen. Ich wagte nicht, durchzuatmen, bevor ich meinen Wagen erreichte.
Gegen elf meldete sich Marie über die Sprechanlage in meinem Büro. »Ein Anruf von Mr Smith. «
Mein Puls begann zu rasen, wie jedes Mal, wenn ich von ihm hörte. Wir hatten schon eine ganze Weile nicht mehr miteinander gesprochen, allerdings hatte er mir ein paar Botschaften zukommen lassen: die freundliche Unterredung mit dem inhaftieren Schwerverbrecher Arrelius Jackson und die Schläger, die Pete vor der Bar überfallen hatten.
»Ich wollte mich nur kurz mit Ihnen austauschen, Jason. Wie ist der Stand der Dinge? Wie geht es Ihrem Bruder?«
Ich zwang mich zu einem Lächeln und zählte bis
Weitere Kostenlose Bücher