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Der Menschen Hoerigkeit

Der Menschen Hoerigkeit

Titel: Der Menschen Hoerigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W. Somerset Maugham
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ab. Die Kunden wollten nichts Übertriebenes; es seien respektable Geschäftsleute, und wenn man eine solche Verbindung habe, wolle man die Kunden nicht vor den Kopf stoßen. Ein paarmal schlug er Philip gegenüber einen scharfen Ton an; er fand, der junge Mann werde ein bisschen großspurig, weil seine Ideen und die Philips manchmal nicht übereinstimmten.
    »Sehen Sie sich gefälligst vor, mein verehrter junger Herr; sonst sitzen Sie eines schönen Tages auf der Straße.«
    Philip hätte ihm gern eins ausgewischt; aber er beherrschte sich. Schließlich konnte es nicht mehr lange dauern, und dann war er all diese Leute für immer los. Manchmal klagte er in komischer Verzweiflung, sein Onkel müsse aus Stahl sein. Was für eine Konstitution! Die Krankheiten, an denen er litt, hätten jeden anständigen Menschen schon längst umbringen müssen.
    Als dann aber schließlich die Nachricht kam, dass der Vikar im Sterben liege, war Philip, der inzwischen an anderes zu denken gehabt hatte, doch überrascht. Es war im Juli, und vierzehn Tage später sollten seine Ferien beginnen. Er erhielt einen Brief von Mrs.   Foster, dass der Arzt nicht glaube, Mr.   Carey habe noch mehr als ein paar Tage zu leben. Wenn Philip ihn noch zu sehen wünsche, müsse er sofort kommen. Philip ging zum Einkäufer und teilte ihm mit, dass er wegfahren müsse. Mr.   Sampson war ein anständiger Kerl und machte, als er die näheren Umstände hörte, keine Schwierigkeiten. Philip verabschiedete sich von den Leuten in der Abteilung; die Nachricht hatte sich wie ein Lauffeuer verbreitet, und sie meinten alle, er träte eine große Erbschaft an. Mrs.   Hodges standen die Augen voll Tränen, als sie ihm zum Abschied die Hände reichte:
    »Wir werden Sie wohl nicht mehr oft hier sehen«, sagte sie.
    »Ich bin froh, dass ich von Lynn wegkomme«, antwortete er.
    Es war schon seltsam, aber es tat ihm wirklich leid, von den Leuten hier wegzugehen, von denen er immer gedacht hatte, sie wären ihm von Herzen zuwider. Als er das Haus in der Harrington Street verließ, tat er es ohne jede Begeisterung. Er hatte die Gefühle, die er bei dieser Gelegenheit empfinden würde, so oft im Geist durchlaufen, dass er nun gar nichts mehr empfand. Es war ihm zumute, als ginge er nur für ein paar Ferientage fort.
    ›Ich habe eine scheußliche Veranlagung‹, sagte er sich. ›Ich sehe voll Sehnsucht einer Sache entgegen, und wenn es dann so weit ist, bin ich immer enttäuscht.‹
    Er erreichte Blackstable am frühen Nachmittag. Mrs.   Foster empfing ihn an der Tür; er konnte an ihrem Gesicht sehen, dass sein Onkel noch nicht tot war.
    »Es geht ihm heute ein wenig besser«, sagte sie. »Er hat eine wunderbare Konstitution.«
    Sie führte ihn in das Schlafzimmer, wo Mr.   Carey auf dem Rücken lag. Er lächelte Philip leise zu mit einer Spur von Befriedigung, weil er den Feind noch einmal überlistet hatte.
    »Ich dachte gestern, es würde schon mit mir zu Ende gehen«, sagte er mit vor Erschöpfung schwacher Stimne. »Sie hatten mich schon alle aufgegeben – nicht wahr, Mrs.   Foster?«
    »Sie haben eine wunderbare Konstitution, das lässt sich nicht leugnen.«
    »Ja, da ist immer noch Leben in dem alten Haudegen.«
    Mrs.   Foster meinte, der Vikar solle nicht sprechen, es würde ihn zu sehr ermüden; sie behandelte ihn wie ein Kind, mit freundlichem Befehlston; und den alten Mann erfüllte eine kindische Genugtuung, weil er alle Erwartungen über den Haufen geworfen hatte. Es belustigte den Vikar, dass man Philip hatte kommen lassen. Man hatte ihn in den April geschickt. Wenn es ihm nur gelänge, einen neuen Herzanfall zu vermeiden, dann würde er in ein, zwei Wochen schon wieder auf den Beinen sein. Er hatte diese Anfälle schon mehrere Male gehabt; er glaubte immer, sterben zu müssen, aber er starb nicht. Sie sprachen alle von seiner Konstitution, aber keiner von ihnen wusste, wie stark er war.
    »Kannst du ein paar Tage hierbleiben?«, fragte er Philip, so, als glaube er, dass der Neffe auf ein paar Ferientage zu Besuch gekommen wäre.
    »Das hatte ich vor«, antwortete Philip heiter.
    »Ein bisschen Seeluft wird dir guttun.«
    Gleich darauf erschien Dr.   Wigram. Nachdem er beim Vikar gewesen war, sprach er mit Philip. Die Art, wie er sich benahm, war der traurigen Gelegenheit angepasst.
    »Diesmal wird es wohl leider das Ende sein«, sagte er. »Ein großer Verlust für uns alle. Ich kenne ihn nun seit fünfunddreißig Jahren.«
    »Im Augenblick scheint

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