Der mieseste Liebhaber der Welt
das denn so?
»Wir haben uns ein wenig näher … ich muss sie wiedersehen, verstehen Sie?«
»Tut mir leid, ich fürchte, da kann ich Ihnen auch nicht helfen. Versuchen Sie es doch mal bei der Mitwohnzentrale, ich gebe
Ihnen die Nummer.«
»Ja, vielen Dank, das wäre großartig, vielen Dank.«
Annie Krohn, Hamburg
»Guten Tag, Markus Stiltfang mein Name, spreche ich mit der Mitwohnzentrale Eimsbüttel?«
»So ist es, Annie Krohn spricht, worum geht es?«
»Frau Krohn, das ist jetzt ein wenig kompliziert.«
»Ach, machen Sie sich da keine Gedanken. Wir lösen auch komplexe Probleme. Suchen Sie eine Wohnung oder möchten Sie eine anbieten?«
»Weder noch. Ich suche die Liebe meines Lebens, wenn man so will.«
Lachen.
»Und da rufen Sie uns an? Wäre es nicht erfolgversprechender, Sie versuchten es mal bei der Kleinanzeigenannahme einer Zeitung?
Oder machen Sie Onlinedating, das soll das neue große Ding sein.«
»Das ist wirklich lustig, Frau Krohn, aber von daher komme ich gerade … irgendwie.«
»Und die haben Sie zu uns geschickt?«
Lachen.
»Na ja, nicht direkt.«
»Da freue ich mich jetzt aber auf Ihre Geschichte.«
»Hier kommt sie, ich mache es kurz: Ich habe mich in eine Frau verliebt, die bei Ihnen im September eine Wohnung gemietet
hat, für vier Wochen. Und nun ist sie verschwunden, und ich habe ihre Telefonnummer … äh … verloren. Und jetzt wollte ich fragen …«
»Ob wir Ihnen die Nummer raussuchen können?«
»Exakt!«
»Wie war gleich Ihr Name?«
»Stiltfang, Markus.«
»Herr Stiltfang. Haben Sie schon mal was von Datenschutz gehört?«
Schweigen.
»Ich dachte mir schon, dass Sie mir damit kommen.«
»Aber Sie wollten es trotzdem mal versuchen?«
»Na ja, es ist billiger, als einen Detektiv zu beauftragen, der dann bei Ihnen einbrechen muss.«
»Da ist allerdings was dran. Aber ich gebe Ihnen einen Tipp: Versuchen Sie es mit ein paar Computerhackern, die sind in der
Regel preiswerter – außerdem merken wir nicht mal, dass wir ausspioniert worden sind –, und Schlösser müssen wir dann auch keine auswechseln.«
»Das ist die richtige Einstellung, Frau Krohn, Sie haben ein Herz für
lonely hearts
. Wenn Sie mir dann noch kurz die Nummer vom Computer Chaos Club geben könnten?«
Lachen.
»Da muss ich Sie enttäuschen, dazu müssten Sie schon persönlich vorbeikommen und die Dringlichkeit Ihres Anliegens überprüfen
lassen.«
»Flirten Sie gerade mit mir?«
Lachen.
»Sehen Sie es mal so: Ich halte Sie mit meiner Freundlichkeit über Wasser. Natürlich werde ich Ihnen keine persönlichen Daten
unserer Kunden verraten. Aber wenn ich Sie einlade, mal vorbeizukommen, haben Sie immerhin noch ein wenig Hoffnung.«
»Sie sind grausam!«
»Nein, ich bin nur neugierig auf Ihre Geschichte. Und ich mache ziemlich guten Kaffee.«
»Vielleicht gehen Sie ja mal aus dem Zimmer, während ich Sie besuche, und lassen Ihr Kundenregister einen Moment unbewacht?«
»Tja, ist bisher noch nie vorgekommen.«
»So herzlos sind Sie?«
»Nö, so schlecht waren die Geschichten, die ich mir bislang anhören musste.«
»Sagen Sie mir sofort Ihre Adresse!«
Lachen.
»Weidenallee 90. Morgen Nachmittag ab drei. Und bringen Sie Blumen mit.«
»Heißt das, ich muss Sie erst anbaggern, bevor Sie mir weiterhelfen?«
»Klar, das mach ich immer so. Aber kein Wort zu meinen Kollegen, ich brauche ja schließlich auch ein bisschen Bestätigung
im Job.«
»Sind Sie denn wenigstens attraktiv?«
Lachen.
»Aber Herr Stiltfang. Wo denken Sie hin. Wenn ich so was hier nötig habe, werde ich doch wohl klein und dick sein, was glauben
Sie?«
»Na, da haben Sie Glück, Kleine und Dicke sind genau meine Kragenweite.«
»Freut mich zu hören.«
»Dann bis morgen. Äh … Meinen Sie das ernst?«
»Nur, wenn
Sie
das ernst meinen.«
»Sie sind echt amüsant, wissen Sie das?«
»Na ja, das ist das Los der kleinen Dicken.«
IX. Kapitel
2005, Annie
Tags Therapie, Massage, Hotel, Porno, Swinger Club
Soundtrack You’re Beautiful / James Blunt
Film Hautnah / Mike Nichols
»Der Schwanz redet eine Sprache, die nicht auf Anhieb verstanden wird. Macht er schlapp, versuchen Mann wie Frau ihn wieder
aufzustellen, statt zu verweilen und zu hören, was er zu sagen hätte.«
Marlise Santiago
Annie verzog scheinbar schmerzverzerrt das Gesicht, die Franzosen nennen das, was ich da gerade live erlebte,
le petit mort
, den kleinen Tod. Meine
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