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Der neue Herrscher

Der neue Herrscher

Titel: Der neue Herrscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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an dem massiven Schanzkleid fest. Sie blickten hinüber nach Wahnhall und versuchten, das Land und die Ufer mit ihren Blicken auszuforschen. Sie sahen nicht viel.
    Riesige Wellen brachen sich, weiß gischtend, an zerklüfteten Felsen. Die Schründe und Klippen ragten wie riesige Gebisse, wie Fabelwesen oder senkrechte, von schrägen Flächen unterbrochene Mauern aus dem Meer. An einigen Stellen sahen die Seefahrer vom Wind zerzauste Büsche und Bäume; sie mußten riesig sein und besaßen Kronen, die vom Sturm glattgeschliffen worden waren wie Stein oder Sandblöcke.
    Wieder schob sich eine winzige Bucht ins Wasser.
    Dann erkannten sie kleine Felsnadeln, die von den Wellenbergen bedeckt und von den Tälern freigegeben wurden – tückische Fallen für jedes Schiff. Unregelmäßig wie von gigantischer Hand hingestreut, waren sie den Kluften und Hängen vorgelagert. Die Guinhan schwamm in der Strömung und war weit entfernt von den Untiefen und Unterwasserfelsen.
    »Kein Leuchtturm, kein Feuer, nicht eine einzige Rauchsäule!« stellte Odam fest, als sie weit voraus eine Wand aus Felsen und gigantischen, vom Wasser zu bizarren Formen abgeschliffenen Blöcken entdeckten.
    »Bisher zeigte sich Wahnhall als Insel mit friedlichen Küsten«, pflichtete der Steuermann bei. Nach seiner Erfahrung und nach der Karte markierte dieser langgezogene Vorsprung das nördliche Ende der Trompetenbucht.
    Hinter den Felsbarrieren, die niedriger wurden, erstreckte sich ein ausgedehnter Wald. Auch hatten sie bisher als einziges Lebenszeichen nur Vögel gesehen. Nicht einmal ein Fischerboot oder das Segel eines Handelsschiffs war ihnen begegnet.
    »Mit ausgestorbenen Küsten und Stränden!« murmelte Necron und begann zu überlegen, ob nach dem langen und intensiven Kontakt mit seinem Augenbruder er abermals die Augen Luxons auf die Küste richten sollte. Er entschied sich, es nicht zu tun – obwohl ihn selbst die Neugierde nicht wenig plagte. Wie sahen die ersten Tage nach der Shallad-Krönung aus?
    Die Dunkelheit senkte sich hinter einer riesigen Wolkenbank, die im Licht der untergehenden Sonne aufflammte wie ein riesiges Feuer. Sterne zeigten sich vereinzelt, der abnehmende Mond schob sich hinter den Wolken hervor, die ihr Aussehen unaufhörlich veränderten.
    Die letzten Vögel flogen mit gellendem Kreischen aufs Land zu. Necron federte die Stöße des Schiffsrumpfs in den Knien ab und klopfte Salzspuren aus den Rillen des schwarzen Samtanzugs.
    Er hatte nur diesen einen; mehr Zeit war in Hadam nicht gewesen. Eines Tages würde auch dieser schöne, warme Anzug mit den vielen Taschen zerschlissen sein und von ihm abfallen wie eine Haut der Schlange, die durch Dornen kroch. Er hob die Schultern, tauschte einen Blick mit Odam und wartete ruhig, bis der Steuermann das Schiff mit der, Strömung in sicherer Entfernung um die weit vorgeschobenen Felsbrocken herumsteuerte. Der weißeGischt, der rund um die teilweise unsichtbaren Steine schäumte, verriet den Standort der gefährlichen Riffe.
    Dann, im letzten Licht des Tages, umrundeten sie das kleine Kap und sahen vor sich die Bucht. Sie war, laut Karte und wohl auch in Wirklichkeit, wie ein Dreieck geformt. Die Einfahrt war nur ein Drittel so breit wie der Strand, der geradeaus vor dem Schiff lag.
    »Ausgerechnet jetzt!« stöhnte der Steuermann. Er mußte versuchen, innerhalb der nächsten Stunde aus der Strömung herauszukommen.
    Überlegt gab er seine Befehle. Das Segel wurde dichtgeholt. Zwei Zusatzsegel, an langen Bäumen befestigt, stiegen am Mast hoch. Die Guinhan kämpfte sich langsam an den westlichen Rand der Strömung, und dann merkten sie alle, wie das Wasser am Schiff riß und rüttelte und es zu zerbrechen drohte. Wieder einige scharfe Schreie – die Guinhan legte sich schwer über, nahm abermals Fahrt auf und wurde, nun mit achterlichem Wind, schneller und glitt in einen stabilen Kurs. Der Wind heulte in der Takelage, das Schiff richtete sich auf und ritt auf einer langen, kaum schäumenden Welle nach Osten. Es durchquerte das ganze, breite Band der reißenden Strömung fast im rechten Winkel. Aufmerksam starrten die Krieger hinüber zu den Felsen, zur Landzunge, zu den Ausläufern des Waldes.
    »Wir kommen, ob wir es wollen oder nicht, der Düsterzone immer näher«, brummte Odam und fragte sich abermals, warum sie kein einziges Lebenszeichen gesehen hatten. Nicht einmal ein Hirtenfeuer oder die Feuerstelle eines Jägers.
    »Wir beide als Geschöpfe dieser Welt, fürchten

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