Der Privatdozent
früh in mein Zimmer verzogen, während die Jungs noch vor der Glotze hingen und Bier gesoffen haben. Also alles wie immer. Geredet haben wir ja eh nie viel miteinander. Vielleicht liegt es aber gerade genau daran, dass ich mich momentan so wahnsinnig allein fühle. Obwohl die Gesellschaft von Lukas und Marek jetzt nicht sonderlich dazu beitragen würde, mich geborgen zu fühlen. Trotzdem könnte ich mich ein wenig mehr anstrengen.
Draußen poltern Schritte durch den Flur und irgendwo fällt eine Flasche auf den Boden. Lautes Grölen folgt. Ja, ich könnte mir jetzt einfach einen Ruck geben und mich der Party anschließen. Nach ein paar Bier ist mir dann auch egal, dass die Jungs nur Machofreunde und blonde Tussis eingeladen haben. Im Grunde bin ich da draußen aber genauso allein wie hier in meinem Zimmer …
Ich denke wieder an Marco, der einfach so davongerauscht ist. Erst übermorgen werde ich ihn wiedersehen – und wer weiß, ob er dann überhaupt Zeit für mich hat. Diese Leere in mir frisst mich regelrecht auf. Warum hat er mir nicht seine Nummer gegeben? Klar, ich hätte ihm ja eine E-Mail an seine Universitätsadresse schicken können … Aber irgendwie bin ich auch zu stolz. Und je weiter unsere kleine Affäre zurückliegt, desto mehr kommt sie mir wie ein Traum vor.
Wenn ich nur die Kontaktdaten von Mara hätte, dann könnte ich mich wenigstens von Marco ablenken. Aber Mara hat sich ja ebenfalls bis Montag verabschiedet … Und jetzt liege ich hier mit ’nem dicken Uniwälzer im Bett an einem Samstag und werde immer wieder gestört, weil irgendwelche Trottel nicht kapieren, dass dieses Zimmer tabu ist.
Gerade geht schon wieder die Türklinke runter. In weiser Voraussicht habe ich abgeschlossen. Entnervt schmeiße ich das Buch Richtung Tür. Am liebsten würde ich jetzt jemanden anschreien. Dabei wäre es wohl das Klügste, einfach die Tür aufzumachen und die Party zu mir reinzulassen. Morgen ist mir dann schlecht und ich denke eher darüber nach, ob ich es noch rechtzeitig zum Klo schaffe … Und dann ist endlich auch schon Montag.
Wieder drückt jemand die Türklinke, gefolgt von einem harten Aufprall. Na hoffentlich gibt das ’ne ordentliche Beule! Dann klopft es energisch. Entnervt springe ich aus dem Bett.
„Was?”, schreie ich. Aber anstatt einer Antwort klopft es wieder nur. Okay, ich ergebe mich in mein Schicksal. Es ist kurz vor Mitternacht, die Meute hat sich bereits weggebeamt. Wird Zeit, dass auch ich ein paar Bier tanke …
Ich öffne die Tür und Lukas stolpert mir in die Arme.
„Hey!”, sage ich überrascht. Eine Wolke von Zigarettenrauch und Kiffgestank weht in mein Zimmer.
„Hey”, antwortet Lukas besoffen und torkelt auf mein Bett zu.
„Ich wollte gerade rauskommen und mitfeiern”, lüge ich.
„Nein!”, schreit Lukas. „Nein-nein-nein-auf-keinen-Fall!”
„Warum nicht?”
„Wir …” Er hikst. „… müssen reden.” Dann lässt er sich rücklinks auf mein Bett fallen und kippt dabei einen guten Schwall Bier auf mein Kopfkissen. „Oh”, macht er nur, dann guckt er mich entschuldigend an und kichert.
„Oh”, äffe ich ihn unbewusst nach. Wenn ich da noch mithalten will, sollte ich vielleicht lieber gleich zu den harten Alkoholika greifen. „Worüber willst du denn mit mir reden?”
„Reden?” Lukas sieht mich irritiert an, dann seine Bierflasche. Entschlossen trinkt er das letzte Drittel auf ex.
„Machs dir gemütlich, ich hol mir ein Bier”, sage ich und verlasse mit rollenden Augen mein Zimmer.
Im Flur laufen mir drei stark gebaute Typen über den Weg. „Ist da das Klo?”, fragt mich einer.
„Nee, mein Zimmer”, antworte ich im Vorbeigehen und laufe in die Küche.
„Hi”, grüße ich in die Runde. Auf die Schnelle zähle ich acht oder neun Leute, die um den Küchentisch herumstehen und pokern und lachen und saufen. Zwei oder drei grüßen lässig zurück. Die Luft ist zum Schneiden. Jeder von denen muss mindestens vier Zigaretten im Mund haben.
Ein Typ drückt ganz ungeniert seine Freundin gegen den Kühlschrank und knutscht sie wild. Auf was für Ideen die Leute so kommen. Gibt es keine geeigneteren Plätze in einer Wohnung?
„‘tschuldigung”, sage ich und schiebe die zwei beiseite.
„Hey!”, beschwert sich der Typ. Ich hab ihn schon mal mit Marek zusammen gesehen.
„Brauch ’n Bier, dann könnt ihr den Kühlschrank wieder haben.” Ich öffne die Tür und befürchte schon, dass der Vorrat weg ist.
„Gib mir auch eins”,
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